Ein studentisches Publikationsprojekt mit Rezensionen zentraler Werke zur österreichischen Migrationsgeschichte
Philipp Strobl, Moritz Boesser, Katja Dolinek, Fabian Eigner, Reinhard Faber, Mohammad Amin Haeri, Matthias Hailwax, Sven Ivanic, Felix Kisling, Anna-Lena Kögler, Maximilian Köpl, David Manaila, Clemens Mayr, Lukas Pallua, Hanna Perbeschlager, Leonie Scheumbauer, Anna Schuster
Migrationsgeschichte ist in Österreich in den letzten Jahren zunehmend in das Blickfeld der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gerückt. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, da das Thema über Jahrzehnte hinweg ein Schattendasein führte. Migration und insbesondere Fluchtmigration wurde in der nationalen Erinnerungskultur wie auch in der akademischen Forschung lange Zeit marginalisiert. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das die österreichische Gesellschaft seit 1945 in ihrer sozialen Zusammensetzung, kulturellen Vielfalt und politischen Struktur grundlegend geprägt hat.
Der Historiker Dirk Rupnow bringt diesen Befund prägnant auf den Punkt: Migration sei „lange nicht in die hegemoniale Version der österreichischen Nachkriegsgeschichte integriert“ worden.1 Die nationale Erzählung konzentrierte sich über Jahrzehnte auf Wiederaufbau, wirtschaftliches Wachstum und Neutralität, während die vielfältigen Formen von Zuwanderung, Exil und Integration weitgehend ausgeblendet blieben. Dass Österreich nach 1945 sowohl ein Herkunfts-, Transit- als auch ein Aufnahmeland war, wurde erst spät zum Gegenstand historischer Reflexion.
Diese Zurückhaltung verweist auf ein tieferliegendes Strukturproblem der österreichischen Zeitgeschichtsforschung. Thomas Angerer konstatierte bereits in den 1990er Jahren eine gewisse Scheu seiner Fachkolleg:innen, sich mit den jüngsten und politisch sensiblen Epochen auseinanderzusetzen.2 Während in Deutschland oder Großbritannien schon früh umfangreiche Studien zur Migrations- und Exilgeschichte entstanden, blieb der österreichische Forschungsdiskurs vergleichsweise defensiv.
Erst der sogenannte Cultural Turn in den 1990er Jahren brachte eine allmähliche Wende. Mit der Öffnung der Geschichtswissenschaft hin zu Alltags-, Mentalitäts- und Biografieforschung sowie zur Geschlechter- und Kulturgeschichte verschoben sich die Perspektiven: Migration wurde nicht länger nur als demografisches oder arbeitsmarktpolitisches Phänomen verstanden, sondern als Teil eines umfassenden kulturellen, gesellschaftlichen und epistemischen Wandels. Die verstärkte Internationalisierung und Interdisziplinarisierung der Forschung – auch im Dialog mit Soziologie, Anthropologie und Literaturwissenschaft – führte zu neuen Fragestellungen: Wie prägt Migration das kollektive Gedächtnis? Welche Wissensformen, Praktiken und sozialen Netzwerke entstehen durch Migration? Wie verändert sich durch Migration das Verständnis von „österreichischer Identität“?
Zahlreiche Einzelstudien haben seither wertvolle Beiträge geleistet. Untersuchungen zu Flucht und Exil während des Nationalsozialismus, zu den „Gastarbeiter“-Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre oder zur jüngeren Migrationsgeschichte nach 1990 zeigen, wie sehr Österreich ein Land der Bewegung und Transformation war und wie fluide die österreichische Gesellschaft ist. Forschungsarbeiten zu transnationalen Wissensräumen – etwa im Umfeld emigrierter Wissenschaftler:innen oder Künstler:innen – verdeutlichen zudem, dass Migration nicht nur Verlust bedeutet, sondern auch produktive Transfers und kulturelle Innovationen hervorgebracht hat.
Trotz dieser Erkenntnisse fehlt bislang eine systematische Zusammenschau. Während die politische Geschichte der Zweiten Republik mit Werken wie Oliver Rathkolbs Paradoxer Republik3 gut dokumentiert ist, existiert nach wie vor keine umfassende Geschichte der Migration in Österreich im 20. Jahrhundert. Einzelne Sammelbände und Aufsätze, etwa zu Flucht und Exil oder zur Integration von Arbeitsmigrant:innen, bilden zwar wichtige Mosaiksteine – doch ein verbindendes Narrativ, das diese Forschungsansätze integriert und übergreifend interpretiert, steht weiterhin aus.
Gerade jetzt, da die gesellschaftlichen Debatten über Migration wieder an Schärfe gewinnen und Fragen nach Zugehörigkeit, Erinnerung und Verantwortung neu gestellt werden, wäre es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Migrationsgeschichte Österreichs erzählt nicht nur von jenen, die kamen oder gehen mussten, sondern auch davon, wie die Gesellschaft auf diese Bewegungen reagierte – und welche Narrative sie darüber entwickelte oder verdrängte. Die Geschichten jener rund 2,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund (aber auch der Ausgewanderten) zu integrieren würde helfen, die österreichische Geschichte inklusiver zu gestalten.
Dieser Beitrag versteht sich als ein Schritt in Richtung einer umfassenderen Auseinandersetzung mit der Migrationsgeschichte Österreichs. Die hier vorliegende Sammelrezension vereint zentrale Werke zur österreichischen Migrations- und Fluchtgeschichte, die zwischen den 1990er Jahren und 2025 erschienen sind, und bietet einen Überblick über die wichtigsten Forschungsansätze, Themenfelder und methodischen Zugänge, die das Feld heute prägen. Die ausgewählten Texte aus Geschichtswissenschaft, Soziologie, Kultur- und Sozialwissenschaft zeigen Migration als ein vielschichtiges, dynamisches und gesellschaftsformendes Phänomen, das weit über nationale Grenzen und Disziplinen hinausweist.
Entstanden ist diese Sammelrezension im Rahmen eines Guided-Reading-Seminars am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, in dem die teilnehmenden Studierenden zentrale Werke der österreichischen Migrationsgeschichte recherchierten, analysierten, kontextualisierten und kritisch diskutierten. Alle hier vorgestellten Rezensionen stammen von diesen Studierenden, die sich über ein Semester hinweg intensiv mit den vielfältigen Facetten von Migration, Flucht und Erinnerung auseinandergesetzt haben. Ihr Engagement, ihre analytische Präzision und ihr kritisches Interesse gingen weit über die Anforderungen einer regulären Lehrveranstaltung hinaus und haben entscheidend dazu beigetragen, dieses Projekt zu verwirklichen. Ihnen gebührt besonderer Dank.
Damit versteht sich dieser Blogbeitrag als Einladung, den Dialog über Migration in Österreich weiterzuführen: als Forschungsfeld, als gesellschaftliches Thema und als Teil einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte.
Diese Sammelrezension versammelt zentrale Arbeiten zur österreichischen Migrations- und Fluchtgeschichte, die zwischen den 1990er Jahren und 2025 erschienen sind. Gemeinsam zeichnen sie ein facettenreiches Bild der Migrationsforschung in Österreich – von der späten Habsburgermonarchie bis zu postmigrantischen Diskursen der Gegenwart – und machen deutlich, dass Migration ein konstitutives Element österreichischer Geschichte ist.
Den Ausgangspunkt bildet die Rezension von Leonie Scheumbauer und Anna-Lena Kögler, die Annemarie Steidls Studie On Many Routes: Internal, European, and Transatlantic Migration in the Late Habsburg Empire (2021) analysieren. Steidl zeigt, dass Mobilität in der späten Habsburgermonarchie allgegenwärtig war – von innerösterreichischen Wanderbewegungen bis zu transatlantischen Migrationen in die USA. Ihre quantitativen Analysen und regionalhistorischen Ansätze offenbaren, dass Migration nicht als Ausnahme, sondern als integraler Bestandteil des Alltags verstanden werden muss.
Daran knüpfen Katja Dolinek und Clemens Mayr an, die zwei Arbeiten zur Zwischenkriegszeit – Andreas Weigls Demographic Transitions Accelerated (2010) und Ilse Reiter-Zatloukals Ehe, Staatsangehörigkeit und Migration – Österreich 1918–1938 (2012) – vergleichen. Weigl beschreibt den demographischen und sozialen Wandel nach dem Ersten Weltkrieg, während Reiter-Zatloukal die rechtliche Dimension von Migration und Geschlechterungleichheit untersucht. Zusammen zeigen sie, wie eng Bevölkerungspolitik, nationale Identität und rechtliche Zugehörigkeit miteinander verwoben waren.
Mit der Emigration nach dem „Anschluss“ 1938 setzen sich Maximilian Köpl und Lukas Pallua auseinander. Ihre Rezension zu Philipp Strobls und Susanne Korbels Mediations Through Migrations (2022) sowie Strobls Monografie A History of Displaced Knowledge (2025) hebt hervor, wie Verfolgte ihr kulturelles und soziales Kapital nutzten, um Wege ins Exil zu finden. Die Verbindung von Wissens- und Exilgeschichte eröffnet neue Perspektiven auf österreichische Intellektuelle im Exil, insbesondere in Australien. Diese kulturhistorische Herangehensweise ergänzt die Analyse von Moritz Boesser, der Gabriela Stiebers klassische Studie Die Lösung des Flüchtlingsproblems 1945–1960 (1995) und einen Beitrag von Philipp Strobl und Nikolaus Hagen (2022) zur Displaced Persons-Forschung gegenüberstellt. Boesser zeigt dabei auf, wie sich der Blick auf Nachkriegsflüchtlinge von institutioneller Verwaltungsgeschichte hin zu einer stärker akteurszentrierten Forschung verschoben hat.
Die Forschung zu Fluchtmigration während des Kalten Krieges wird in der Rezension von Reinhard Faber und Felix Kisling beleuchtet. Sie vergleichen Sarah Knolls Aufsatz Calling for Support: International Aid for Refugees in Austria during the Cold War (2021) und ihren gemeinsam mit Maximilian Graf verfassten Beitrag In Transit or Asylum Seekers? (2017). Beide Texte untersuchen Österreichs Rolle als Transitland für Flüchtlinge aus Osteuropa und analysieren, wie humanitäre Rhetorik und internationale Hilfe das Selbstbild der Zweiten Republik prägten.
Einen weiteren Schwerpunkt in der Migrationsgeschichte Österreichs bildet die Arbeitsmigration seit den 1960er Jahren, die Fabian Eigner und David Manaila in drei Werken nachzeichnen: Vida Bakondys Austria Attractive for Guest Workers?, Ingrid Blasges Flüchtling, Gastarbeiter, Mensch mit „Migrationshintergrund“ und Lisa Grösels Fremde von Staats wegen. Diese Studien verdeutlichen, dass Österreich zwar strukturell längst ein Einwanderungsland war, sich aber weiterhin als temporäres Aufnahmeland verstand. Besonders prägnant zeigen sie, wie stark Sprache und politische Rhetorik den gesellschaftlichen Diskurs über Migration formten.
Die politischen und institutionellen Dimensionen von Migration stehen im Mittelpunkt der Rezension von Mohammad Amin Haeri und Sven Ivanic, die Bernhard Perchinigs Migration, Integration und Staatsbürgerschaft in Österreich seit 1918 (2009) und Rainer Bauböcks Essay Nach Rasse und Sprache verschieden (1996) gegenüberstellen. Beide Autoren verdeutlichen, wie sich österreichische Migrationspolitik zwischen Inländerprimat, Integrationsmodellen und europäischen Rechtsentwicklungen bewegte. Ergänzend dazu hebt Hanna Perberschlager in ihrer Rezension zu Dirk Rupnows Geschichte und Gedächtnis von Migration in Österreich (2019) hervor, dass Migration in der kollektiven Erinnerung und in kulturellen Institutionen noch immer unterrepräsentiert ist. Rupnow plädiert für eine inklusive Geschichtsschreibung, die migrantische Perspektiven systematisch in Archive, Museen und Bildung integriert.
Eine weitere theoretische Öffnung bietet die Rezension von Matthias Hailwax, der Alexander Rubels Migrationsgeschichte als Weltgeschichte (2021) bespricht. Rubel fordert, Migration nicht auf die Moderne oder auf Krisenzeiten zu beschränken, sondern sie als universales Strukturprinzip menschlicher Geschichte zu verstehen – von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart. Schließlich führen Anna Schuster’s Überlegungen zu Erol Yildiz’ Postmigrantische Lebensentwürfe jenseits der Parallelgesellschaft (2019) in die Gegenwart: Yildiz versteht Postmigration nicht als neue Disziplin, sondern als Perspektivwechsel, der Migration als gesellschaftsnormale Realität begreift.
In ihrer Gesamtheit zeigen die hier versammelten Rezensionen, wie breit und vielschichtig die österreichische Migrationsforschung inzwischen geworden ist. Von den quantitativen Studien zur Mobilität im Habsburgerreich über rechtshistorische und politische Analysen bis hin zu kultur- und wissensgeschichtlichen Ansätzen spannt sich ein weiter Bogen. Zugleich wird sichtbar, dass das Forschungsfeld trotz beachtlicher Fortschritte fragmentiert bleibt. Die Vielfalt der behandelten Werke legt nahe, dass es an der Zeit ist, Migration nicht länger als Randthema, sondern als zentrales Narrativ österreichischer Geschichte zu begreifen – als Geschichte von Bewegung, Übersetzung und Neuverortung.
Rezensent:in: Leonie Scheumbauer, Anna Lena Kögler
Annemarie Steidl. On Many Routes: Internal, European, and Transatlantic Migration in the Late Habsburg Empire (West Lafayette 2021).
Die Wiener Historikerin Annemarie Steidl beschäftigt sich in ihrem Werk „On Many Routes: Internal. European, and Transatlantic Migration in the Late Habsburg Empire“ mit der Frage, wie sich die räumliche Mobilität (intern, europäisch, transatlantisch) in der späten Habsburgermonarchie gestaltete und wie diese Mobilitätsformen historisch, sozial und ökonomisch zusammenhängen.
Im ersten Kapitel steht die Binnenmigration im Vordergrund. Diese war deutlich verbreiteter als Auslands- oder Überseemigrationen und fand oft saisonal und über kurze Distanzen statt. Bewegungen zwischen ländlichen Regionen und Städten waren üblich, etwa durch Erntehelfer, Dienstboten oder Bauarbeiter. Die Städte Wien, Budapest und Prag entwickelten sich zu bedeutenden Metropolen für Zuwanderer und wurden zu wichtigen Zielen für Arbeitsmigration. Der Staat versuchte Migration durch das Heimatrecht zu regulieren, das den Anspruch auf soziale Unterstützung an eine Gemeinde band.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Migration über die Grenzen der österreichisch-ungarischen Monarchie hinweg. Zwischen 1876 und 1910 verließen rund fünf Millionen Menschen die Monarchie, meist vorübergehend oder saisonal. Zu den Zielregionen gehörten unter anderem das Deutsche Reich, die Schweiz, Italien und Russland. Auch viele Frauen zog es in die Städte, wo sie vor allem in der Hausarbeit oder im Dienstleistungssektor Beschäftigung fanden. Aus Böhmen und Galizien wanderten viele Menschen zur Arbeit ins Russische oder ins Deutsche Reich aus. Gleichzeitig kam es jedoch zu einer bemerkenswerten Zuwanderung. Viele Menschen aus Italien und dem Deutschen Reich ließen sich in der Monarchie nieder, während Wien zunehmend zum Anziehungspunkt für Ungarn und Slowaken wurde. Budapest wurde hingegen für viele Galizier zur neuen Heimat. Ab 1910 ging die Migrationsbewegung deutlich zurück und kam mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 schließlich abrupt zum Erliegen.
In Kapitel drei analysiert Annemarie Steidl die transatlantische Migration aus der Habsburgermonarchie in die USA zwischen den 1850er Jahren und dem Ersten Weltkrieg. Rund vier Millionen Menschen verließen das Reich, viele mit dem Ziel, zeitweise in Amerika zu arbeiten. Migration war selten dauerhaft, sondern meist temporär und zirkulär. Österreich-Ungarn trat relativ spät in die transatlantische Migration ein. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm sie durch bessere Verkehrsverbindungen und gezielte Werbung der Reedereien deutlich zu. Besonders viele Migranten kamen aus armen, ländlichen Regionen wie Galizien oder der Südslowakei. Überproportional vertreten waren ethnische Minderheiten wie Slowaken, Ruthenen, Kroaten und Juden. Steidl betont, dass wirtschaftliche Motive, wie etwa der Wunsch, Geld zu verdienen oder in der Heimat zu investieren, im Vordergrund standen. Die meisten Ausgewanderten arbeiteten in US-Industriezentren unter schwierigen Bedingungen. Besonders hervorzuheben ist Steidls Kritik an der Verwendung der Begriffe „Emigration“ und „Immigration“, die der Realität zirkulärer Migration nicht gerecht würden. Sie plädiert stattdessen für ein flexibleres Verständnis von Migration als mehrstufigen Prozess.
Im vierten Kapitel geht es um die vielschichtigen Migrationsbewegungen innerhalb, nach und aus Zentraleuropa. Steidl kritisiert klassische Unterscheidungen wie „intern“ oder „international“ und zeigt, dass Migration im Habsburgerreich meist mehrgleisig verlief und regional sehr unterschiedlich geprägt war. Sie verdeutlich, dass Binnen-, Europa- und Überseemigration oft miteinander verflochten waren. Anhand statistischer Daten und Fallbeispiele wie etwa aus Böhmen oder Westgalizien zeigt sie, dass Migration selten geradlinig war. Menschen migrierten oft mehrfach, in wechselnde Richtungen, abhängig von sozialen Netzwerken, Arbeitsmöglichkeiten und regionalen Rahmenbedingungen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist Westgalizien, wo die ausgeprägte transatlantische Migration von kirchlichen Organisationen begleitet wurde, die den Migranten Unterstützung boten.
Im abschließenden Fazit plädiert Steidl für einen regional historischen Zugang zur Migrationsforschung. Migration war kein einfacher Ortswechsel, sondern ein dynamischer, oft temporärer Prozess, geprägt von Rückkehr, Neuorientierung und sozialer Einbettung.
Methodisch setzt Steidl primär auf quantitative Verfahren. Sie verwendet Regressionsanalysen, um Zusammenhänge zwischen innerstaatlicher, europäischer und transatlantischer Migration, zu untersuchen. Auch Karten werden als wichtiges Hilfsmittel eingesetzt, um Migrationswege visuell verständlich darzustellen. Obwohl Steidl häufig mit statistischen Daten arbeitet, beschränkt sie sich nicht auf ökonomische Ursachen von Migration. Es gelingt ihr nachvollziehbar darzustellen, wann, auf welche Weise und aus welchen sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen Gründen Migration stattfand.4
Die Forschung wird sowohl auf sogenannte „Stock-Daten“ wie Volkszählungen, als auch auf „FlowDaten“, wie beispielsweise Schiffslisten gestützt. Die Hauptquellenbasis bilden dabei vor allem die staatlichen Volkszählungen Österreichs und Ungarns aus den Jahren 1869 bis 1910, ergänzt durch Schiffslisten aus dem Jahr 1910, die Überfahrten von Bremen und Hamburg nach New York dokumentieren. Hinzu kommen Berichte des ungarischen Statistischen Amts von 1918, die Daten zur internationalen Migration enthalten. Darüber hinaus werden auch regionale Daten ergänzt und kirchliche Erhebungen verwendet, wie eine Umfrage der polnischen katholischen Kirche aus dem Jahr 1907, die Aufschluss über die Auswanderung aus der Diözese Tarnów in Westgalizien gibt. Steidl betont jedoch, dass die vorhandenen Quellen ursprünglich nicht für die historische Migrationsforschung erstellt wurden, weshalb ihr Erklärungswert in Bezug auf Migrationsprozesse nur begrenzt ausgeschöpft werden kann.5
Die Argumentationen Steidls sind klar und gut strukturiert. Sie verbindet sorgfältige quantitative Datenanalysen mit einem differenzierten Blick auf die Lebensrealitäten der Migrant*innen. So zeigt sie, dass Migration viel komplexer ist, als einfache Modelle mit „push“ und „pull“-Faktoren darzustellen versuchen. Ihre Arbeit macht deutlich, dass Migration von vielen verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Gründen geprägt ist. Besonders hervorzuheben sind ihre fundierten statistischen Auswertungen, in denen sie unterschiedliche Mobilitätsmuster systematisch miteinander vergleicht. Dadurch erhält ihre Argumentation eine solide empirische Grundlage. Trotz der wissenschaftlichen Methodik verliert sie die Menschen hinter den Zahlen nicht aus dem Blick. Ihre Argumentation ist kritisch, reflektiert und überzeugend, weil sie nicht nur deskriptiv arbeitet, sondern auch bekannte Theorien hinterfragt und weiterentwickelt.
Steidl legt in ihrer Arbeit den Schwerpunkt klar auf quantitative, statistische Auswertungen. Die theoretischen Ansätze und Begriffe sind teilweise anspruchsvoll, was den Zugang für Leser*innen ohne fachlichen Hintergrund möglicherweise erschweren kann. Ebenfalls anzumerken ist, dass die Struktur des Werks teilweise unübersichtlich erscheint, da manche Grafiken erst im Anhang zu finden sind und dadurch das Verständnis im Lesefluss erschwert wird. Abgesehen davon bietet das Buch einen gelungenen Einstieg in die Thematik, da es einen breiten und gut strukturierten Überblick über die Migrationsprozesse in der Habsburgermonarchie bietet. Der Autorin gelingt es besonders überzeugend, zu zeigen, dass Migration nicht isoliert innerhalb nationalstaatlicher Grenzen verstanden werden kann. Indem sie regionale Kontexte konsequent einbezieht, eröffnet Steidl eine differenzierte Sichtweise auf historische Migrationsprozesse. Ihr transnational ausgerichteter Ansatz ermöglicht neue Zugänge zu bereits bekannten Bewegungen und macht deutlich, wie relevant diese Themen bis heute sind. Darüber hinaus schließt Steidls Werk eine Forschungslücke, da es bislang noch keine einheitliche Darstellung der Migration im späten Habsburgerreich gab. Durch die Verbindung von Binnen-, Europa- und Transatlantikmigration liefert die Autorin einen umfassenden Überblick und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur historischen Migrationsforschung.
Rezensent:in: Katja Dolinek und Clemens Mayr
Andreas Weigl, Demographic Transitions Accelerated: Abortion, Body Politics, and the End of SupraRegional Labor Immigration in Post-War Austria, in: Peter Berger et Al. (Hgs.), From Empire to Republic: Post-World War I Austria (Innsbruck/New Orleans, 2010), 142-170.
Ilse Reiter-Zatloukal, Ehe, Staatsangehörigkeit und Migration – Österreich 1918–1938, in: Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 2/1 (2012), 118–137.
Dieses Gutachten setzt sich mit zwei Beiträgen zur österreichischen Migrationsgeschichte in der Zwischenkriegszeit auseinander, Andreas Weigls Text „Demographic Transitions Accelerated: Abortion, Body Politics, and the End of Supra-Regional Labor Immigration in Post-War Austria“, der im Jahr 2010 veröffentlicht wurde, sowie Ilse Reiter-Zatloukals Text aus dem Jahr 2012 „Ehe, Staatsangehörigkeit und Migration – Österreich 1919/1938“. Die beiden Texte analysieren die demographischen, rechtlichen und sozialen Umbrüche in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg aus unterschiedlicher, sich ergänzender Perspektive. Weigl behandelt das Thema aus einer bevölkerungsgeschichtlichen und sozialpolitischen Sicht, während sich Reiter-Zatloukal mit einer juristisch-historischen Perspektive befasst. Ziel dieses Gutachtens ist es, die wissenschaftliche Aussagekraft beider Texte zu bewerten und ihre Relevanz in der österreichischen Migrationsforschung der Zwischenkriegszeit darzulegen. Im Folgenden werden beide Texte gesondert analysiert und anschließend mit einander verglichen.
“Demographic Transitions Accelerated: Abortion, Body Politics, and the End of Supra-Regional Labor Immigration in Post-War Austria” erschien im Jahr 2010 in einem Sammelband mit dem Titel „From Empire to Republic. Post World War I Austria“. Er behandelt die tiefgreifenden Bevölkerungsverschiebungen und sozialen Umbrüche in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg. Im Fokus steht die These, dass sich in der Ersten Republik ein beschleunigter demographischer und epidemiologischer Übergang vollzogen hatte. Der Autor, Andreas Weigl, ist ein österreichischer Historiker an der Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien mit einem Schwerpunkt in der historischen Demographie. Seine Forschung verknüpft quantitative Methoden mit sozialhistorischen Ansätzen, insbesondere im Kontext der österreichischen Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
Weigl beschreibt die Zeit nach 1918 als eine Phase drastischer sozialpolitischer und medizinischer Einschnitte. Sterbe- und Geburtsraten sanken deutlich. In Wien fiel die Reproduktionsrate auf ein historisches Minimum von 1,6 Kindern pro Frau, Abtreibungen nahmen zu und traditionelle Familienbilder begannen sich zu verändern. Parallel dazu änderte sich auch die Migrationsdynamik. Viele Tschech:innen und Slowak:innen wanderten aus Österreich ab, während deutschsprachige „Altösterreicher:innen“ aus den Nachfolgestaaten der Monarchie nach Österreich kamen. Der Kleinstaat sah sich zunehmend als überbevölkert und förderte eine gezielte Emigration. Eine im ersten Weltkrieg begonnene und nach dem Krieg sich ausweitende Versorgungskrise führte zu dramatischen Mangelerscheinungen, insbesondere bei Kindern. Sie wurde durch internationale Hilfen teilweise abgefangen. Weiters dokumentiert Weigl einen starken Rückgang der Säuglings- und TBC-Sterblichkeit sowie einen erheblichen Anstieg der Lebenserwartung.
Weigls Forschungsfrage ist implizit klar und methodisch überzeugend umgesetzt. Er kombiniert umfangreiche quantitative Daten mit sozial- und medizingeschichtlichen Deutungen. Qualitative Quellen, wie etwa ärztliche Fallberichte, ergänzen die statistische Analyse und verleihen der Studie zusätzliche Tiefe. Allerdings bleiben einige Punkte erklärungsbedürftig. Teilweise finden sich mehrere Angaben, die widersprüchlich scheinen, wie etwa die unterschiedlichen Zahlen zu Abtreibungen, die mit mehr Kontext und Differenzierung einen besseren Überblick ermöglichen würden.
Weigls Beitrag bietet eine fundierte Analyse der demographischen und migrationsbezogenen Entwicklungen der Zwischenkriegszeit. Er zeigt, wie Krieg und politische Umbrüche Mobilität, Bevölkerungspolitik und soziale Normen beeinflussten. Der Text liefert wichtige Impulse für die Migrationsgeschichtsforschung zur Ersten Republik und bietet Anknüpfungspunkte für weiterführende Studien zu Geschlechterrollen, Bevölkerungspolitik und der Rolle staatlicher Institutionen bei der Regulierung von Migration.
Ilse Reiter-Zatloukal ist Rechtswissenschaftlerin und am Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte an der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Rechtsgeschichte im Austrofaschismus und Nationalsozialismus sowie das Migrationsrecht und Strafrecht im 19. und 20. Jahrhundert.
In ihrem Text „Ehe, Staatsangehörigkeit und Migration – Österreich 1918-1938“, beschreibt die Autorin die rechtlichen Begebenheiten in Sachen Ehe- und Scheidungsrecht, sowie Staatsangehörigkeit in der Zeit der ersten Republik. Dabei betrachtet sie die Auswirkungen von binationalen Ehen, sprich Ehen zwischen eine:r Österreicher:in mit einer:m ausländischen Staatsbürger:in sowie zwischen Katholischen und nicht-katholischen Personen. Das Augenmerk im Text liegt besonders auf der rechtlichen Ungleichheit zwischen Ehemännern und Ehefrauen zu dieser Zeit und der Frage, welche Rolle (Zwangs-)Migration in dieser Thematik spielt. Erschienen ist der Text als Beitrag in der Zeitschrift „Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs“ im Juni 2012.
Reiter-Zatloukal zeigt, dass Frauen deutlich von ihrem Mann abhängig waren. Dies bestätigt auch welche Bedeutung der, zu dieser Zeit nicht scheidbaren, katholischen Ehe zukommt. Sie behandelt das Thema mit qualitativen Methoden, indem sie mit zeitgenössischen Gesetzestexten und Fachliteratur aus dem Forschungsbereich der Rechtsgeschichte arbeitet. Die Arbeit hat einen geschlechterspezifischen und migrationsgeschichtlichen Bezug. Darüber hinaus wird ein mikrogeschichtlicher Zugang angewandt, als der Lebenslauf von Venetiana (Veza) Taubner‐Calderon beschrieben wird. Ebenfalls vergleicht der Text die gesetzliche Lage in Österreich mit jener von anderen europäischen Staaten und der USA in jener Zeit.
Abschließend stellt sie das analysierte Thema in den Kontext des „Anschlusses“ 1938, in welchem sie die dadurch verursachten rechtlichen Auswirkungen in diesem Bereich als „modernisierenden Effekt“ beschreibt. Sie betont außerdem, dass es noch bis 1983 dauert, bis es zur Gleichstellung der Geschlechter im Staatsangehörigkeitsrecht kommen sollte.
Eine klare Forschungsfrage ist in diesem Text nicht formuliert. Vielmehr handelt es sich um eine sehr detaillierte Beschreibung der historischen Lage, um die These der Ungleichheit der Gesetze zu unterstützen. Um die rechtshistorische Gegebenheit dieser Zeit zu erläutern, sind die Quellen, die Literatur sowie die Methodik passend gewählt und geben die Thematik exakt wieder. Die Autorin stützt sich auf zeitgenössische Gesetzestexte sowie auf ausgewählte rechtshistorische Fachliteratur.
Die Arbeitet bietet einen interessanten Beitrag zur Forschung, da sie verschiedene Perspektiven und Forschungsansätze verwendet und ihre Argumentation mit passenden Quellen untermauert, beispielsweise durch die Schilderungen der persönlichen Geschichte von Venetiana Taubner-Calderon.
Positiv anzumerken ist die genaue Darstellung der behandelten Materie, indem Reiter-Zatloukal detailliert die gesetzlichen Grundlagen, sowie zeitgenössische Gerichtsurteile jener Zeit beschreibt. Dies wird unter anderem mit Urteilen des OGH (Oberster Gerichtshof) bewerkstelligt. Ebenfalls ist die Gegenüberstellung der juristischen Situation in Österreich und gewählten Beispielen im Ausland hilfreich, um sich einen großen Überblick zu verschaffen und die Lage in Österreich besser einschätzen zu können. In den sehr detaillierten Darstellungen der Gesetzeslage ist es jedoch womöglich kompliziert, einen Überblick zu behalten.
Zu empfehlen ist dieser Text besonders einem wissenschaftlich interessierten Publikum, welches sich mit der komplexen juristischen Gemengelage dieser Zeit auseinandersetzen möchte. Als thematische Einstiegslektüre ist dieser Text aufgrund seiner detailgenauen Ausführungen nicht zu betrachten.
Beide Texte leisten aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Migrationsdynamiken in der Ersten Republik. Gemeinsam zeigen die beiden Autor:innen Andreas Weigl und Ilse Reiter-Zatloukal, wie stark Migration in der Ersten Republik nicht nur eine soziale Realität war, sondern ein zentraler Gegenstand staatlicher Kontrolle, ideologischer Aushandlung und rechtlicher Disziplinierung. Ihre Kombination bietet ein nuancierten Bild der Migrationsgeschichte zwischen 1918 und 1938, das dem Wechselspiel von Politik, Recht, Körper und Staatsbürgerschat besondere Aufmerksamkeit schenkt.
Rezensent:in: Maximilian Köpl und Lukas Pallua
Philipp Strobl und Susanne Korbel “Mediations Through Migrations: An Introduction on Cultural Translation and Knowledge Transfer”, in Susanne Korbel et Al. (Hgs.), Cultural Translation and Knowledge Transfer on Alternative Routes of Escape from Nazi Terror: Mediations Through Migrations (London, 2022).
Philipp Strobl, A History of Displaced Knowledge: Austrian Refugees from National Socialism in Australia (Leiden, 2025).
Die erzwungene Emigration österreichischer Bürgerinnen und Bürger nach dem „Anschluss“ 1938 markiert einen tiefen Einschnitt in der gesellschaftlichen und kulturellen Geschichte des Landes. Besonders betroffen war die jüdische Bevölkerung, deren Lebenswelten durch Verfolgung, Entrechtung und Vertreibung radikal verändert wurden. Zwei zentrale Texte beleuchten diese Entwicklungen aus unterschiedlichen Perspektiven: die Einleitung zu Mediations Through Migrations: An Introduction on Cultural Translation and Knowledge Transfer sowie die Kapitel 4 und 5 aus der Monografie A History of Displaced Knowledge: Austrian Refugees from National Socialism in Australia. Beide Beiträge zeigen, wie Verfolgte ihr kulturelles und soziales Kapital nutzten, um Wege ins Exil zu finden, und wie Wissen, Netzwerke und Identitäten über nationale Grenzen hinweg transformiert wurden.
Review zum Text: Philipp Strobl und Susanne Korbel, Mediations Through Migrations: An Introduction on Cultural Translation and Knowledge Transfer
Der rezensierte Text soll als Einleitung des Sammelbandes „Cultural Translation and Knowledge Transfer on Alternative Routes of Escape from Nazi Terror: Mediations Through Migrations (Studies for the International Society for Cultural History)” von Philipp Strobl und Susanne Korbel einleitende Worte und Erklärungen liefern, um den Sammelband anschließend besser zu verstehen. Dabei wird zum einen auf wissenschaftliche Forschungsmethoden im Zusammenhang mit Migration eingegangen, zum anderen liegt der Fokus auch auf die Erläuterung wichtiger moderner Begriffe im Zusammenhang mit Wissensgeschichte sowie Migrationsgeschichte. All dies wird im Kontext des Anschluss Österreichs 1938 ans Deutsche Reich und der damit verbundenen Flucht/Migration vieler Menschen mithilfe von zwei migrantischen Beispielbiografien erklärt. Im Kontext des aktuellen Forschungsstandes lässt sich feststellen, dass das von Strobl und Korbel behandelte Themengebiet nicht zum wissenschaftlichen Mainstream zählt, da darin alternative Fluchtrouten in der Exilforschung repräsentiert. Es handelt sich dabei zudem um einen Bereich mit vergleichsweise jungen Begrifflichkeiten und Forschungsansätzen, weshalb weiterer Forschungsbedarf besteht. Ziel dieses Gutachtens ist es, zu überprüfen, ob die vorliegende Einleitung ihrer Funktion als hinführende Einführung für den Sammelband gerecht wird.
Da es sich bei dem vorliegenden Text um die Einleitung eines umfangreicheren Sammelbandes handelt, wird keine explizite Forschungsfrage formuliert. Dies ist in Anbetracht der Zielsetzung jedoch auch nicht erforderlich, da die Einleitung – wie bereits erwähnt – dazu dient, zentrale moderne Begriffe und Theorien im Kontext der Migrations- und Wissensgeschichte zu erläutern. Die Darstellung folgt dabei einem klar erkennbaren roten Faden: Zunächst wird ein allgemeiner historischer Kontext zur Migration im Zusammenhang mit den Geschehnissen in Österreich um 1938 skizziert, bevor im Anschluss zwei exemplarische Biografien eingeführt werden. In den folgenden Kapiteln werden sodann die für den Sammelband zentralen Begriffe und Theorien erläutert. Dies geschieht stets unter Bezugnahme auf den „Anschluss“ 1938 sowie die beiden Biografien, wodurch eine konsistente Argumentationslogik und eine stringente textliche Struktur gewährleistet werden.
Die in der Einleitung angewandten Methoden sind sämtlich qualitativer Natur, was im gegebenen Zusammenhang methodisch sinnvoll erscheint. Dies ist insbesondere dadurch begründet, dass vor allem Verfahren wie die historische Semantik Anwendung finden. Darüber hinaus werden weitere qualitative Methoden eingesetzt, beispielsweise die Textanalyse im Fall der Briefe von Chaimowicz sowie die Methode der Oral History im Zusammenhang mit der Biografie von Exiner. Die Auswahl dieser Ansätze entspricht dem Ziel, komplexe historische und biografische Zusammenhänge differenziert zu rekonstruieren und zu analysieren.
Hinsichtlich der Vielzahl der herangezogenen Quellen und der zitierten Literatur lässt sich festhalten, dass die Abdeckung als ausreichend bewertet werden kann. Mit insgesamt 85 Belegen und Anmerkungen auf 20 Seiten liegt eine solide Grundlage für eine wissenschaftlich fundierte Arbeit vor. Die Qualität der verwendeten Literatur ist insgesamt angemessen: Während für die Darstellung historischer Aspekte teils auf ältere Publikationen zurückgegriffen wird – was in diesem Zusammenhang vertretbar erscheint – handelt es sich bei den Werken zur Begriffsgeschichte zumeist um neuere Literatur. Auffällig ist, dass der Verfasser mehrfach auf eigene Publikationen Bezug nimmt. Dies wurde korrekt, transparent sowie sinnvoll gemacht, sodass die Selbstzitate kein Problem darstellen. Die Verwendung von Endnoten anstelle von Fußnoten trägt zwar zu einem übersichtlicheren Schriftbild bei, erschwert jedoch die unmittelbare Nachvollziehbarkeit der Quellenbelege; zudem werden ausführliche Anmerkungen in Endnoten erfahrungsgemäß seltener rezipiert.
Der Text zeichnet sich insgesamt durch Klarheit und gute Lesbarkeit aus. Allerdings weisen einzelne Unterkapitel hinsichtlich ihrer Strukturierung gewisse Schwächen auf, die sich nachteilig auf die Verständlichkeit auswirken können. Dazu zählt das Unterkapitel „Sources and Archives“, wo es schwierig ist zu verstehen, welche Meinung welcher Historiker bzw. welche Historikerin vertritt und was ihre Beweggründe und Vorschläge sind. Ähnliches passiert im Unterkapitel „Cultural Translation“, da dort die Erläuterung der verschiedenen „turns“ etwas kompliziert zu verstehen ist. Es wird zwar alles ein bisschen erklärt wird, es ist dann aber sehr schwierig zu verstehen, was denn nun Kulturelle Übersetzung überhaupt ist. Der Begriff ist nicht selbsterklärend und da das Buch denselben Titel trägt, ist es ungünstig, dass genau dieser Begriff nicht einfach und ausführlich genug erklärt wird. Ebenfalls ist dieses Unterkapitel das Einzige, wo die Beispielbiografie von Chaimowicz nicht hilfreich ist. Ansonsten sind aber alle Unterkapitel sehr verständlich. Die Argumentation im Text ist weitgehend überzeugend: In den meisten Unterkapiteln entwickeln die beiden Verfasser nachvollziehbar eigene Überlegungen, die sie sowohl durch externe als auch durch eigene Quellen fundiert untermauern. Dadurch entsteht eine ausgewogene und schlüssige argumentative Basis, die nur wenig Anlass zur Kritik bietet.
Review zu den Kapiteln 4 & 5 aus dem Sammelband: Philip Strobl, A History of Displaced Knowledge: Austrian Refugees from National Socialism in Australia
Im Jahr 2025 ist das Buch „A History of Displaced Knowledge: Austrian Refugees from National Socialism in Australia“ veröffentlicht worden. Darin geht es um die Leben von Österreichern, die in den Jahren 1938/39 nach Australien geflüchtet sind und sich dort ein neues Leben aufgebaut haben. Die beiden Kapitel befassen sich mit den Erfahrungen österreichischer Staatsbürger: innen, die im Nationalsozialismus als Juden klassifiziert wurden und infolgedessen nach Australien flohen. Vor allem die Geschehnisse rund um den Anschluss Österreichs bis zu den Novemberpogromen werden im Kapitel 4 behandelt. Kapitel 5 befasst sich mit den Migrationsmöglichkeiten und Netzwerken, welche den Flüchtenden zur Verfügung standen. Historische Fakten und Daten werden fließend mit Interviewsausschnitten verwoben. Bei diesen Ausschnitten handelt es sich um Augenzeugenberichte einer Stichprobe von 26 geflüchteten Personen, die ihre Erlebnisse geteilt haben. Es liegt ein besonderer Augenmerk darauf, dem Leser verständlich zu machen, dass die Nutzung diverser sozialer Netzwerke essenziell gewesen ist, um aus dem nationalsozialistischen Deutschland ausreisen zu können. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Forschungsbereich, der hier behandelt wird, nicht direkt dem Mainstream angehört. So ist die Aufarbeitung der NS-Zeit zwar durchaus ein großes Thema in der Wissenschaft, allerdings sind die selbstgesetzten Schwerpunkte, nämlich Auswanderung nach Australien und der Vorgang der Auswanderung, durchaus in einer Nische anzusiedeln. Durch die Behandlung dieser Schwerpunkte, werden sie ein Stück in die Mitte der Diskussionen gerückt. Die Rezension versucht Lesern ein Bild der behandelten Themen und der Relevanz der beiden Kapitel für die österreichische Migrationsgeschichtsforschung zu vermitteln.
Da es sich nur um ein Gutachten von zwei Kapiteln, aus einer Arbeit handelt, ist die ursprünglich gestellte Forschungsfrage nicht zu ermitteln. Ein roter Faden ist dennoch sehr gut nachvollziehbar, aus welchem man sich auch ein Bild von die Forschungsfrage machen kann. So wird zuerst der Anschluss Österreichs aus der Sicht der Zeitzeugen und die drastischen Veränderungen der Lebenswelt dargestellt. Über die verschiedenen Praktiken, die durch die nationalsozialistische Führung genutzt wurden, um die „jüdische“ Bevölkerung zu unterdrücken und zu enteignen, bis zu den Novemberpogromen und den daraus endgültigen Entscheidungen das Land zu verlassen wird im Kapitel vier geschrieben. Das fünfte Kapitel befasst sich mit Netzwerken. So wird zuerst einmal erklärt, wobei es sich bei Netzwerken handelt und woraus diese bestehen können. Daraufhin werden erneut die Erfahrungen der befragten Personen wiedergegeben. Dieses Mal mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Auslösern der Flucht und der vielschichtige Unterstützung die sie genutzt haben.
Die Arbeit nutzt vor allem qualitative Methoden, was daran liegt, dass ein großer Teil aus den Berichten der Augenzeugen besteht. Neben den Interviewauszügen werden auch quantitative Fakten und Erklärungen, welche mit quantitativen Methoden erstellt worden sind, genutzt, um die Aussagen der Geflüchteten gut einzurahmen.
Der Autor der Arbeit hat sich mit dem Thema, auch abseits der Interviews intensiv beschäftigt. Neben diesen Quellen werden nämlich viele andere Quellen hinzugezogen, vor allem, um den historischen Rahmen zu schaffen. So werden in den zwei Kapiteln insgesamt 251 Quellenverweise, wie Zeitzeugenberichte und Literaturverweise gemacht. Einige wiederholen sich natürlich, beziehungsweise zitiert sich der Autor auch manchmal selbst. Dies kann problematisch sein, da die Objektivität darunter leiden kann, doch wird durch die vielen anderen Quellen dieser Kritikpunkt entkräftet. Die Quellen sind unterschiedlich alt. Es gibt sehr neue Quellen aus den 20er Jahren unseres Jahrhunderts, aber auch wesentlich ältere, unter anderem aus den 1970er Jahren. Es werden klassische Fußnoten genutzt, die jedem Leser ermöglichen sofort herauszufinden, welcher Quelle sich bedient wurde, um Aussagen im Text zu tätigen.
Der Text wurde für eine breite Leserschaft formuliert. Dies ist sehr förderlich für die Lesbarkeit und das Verständnis des Textes. Alle Unterkapitel haben einen Sinn und führen den roten Faden gut weiter. Einzig die Strukturierung ist etwas gewöhnungsbedürftig. Aufgrund der Größe der Stichprobe und dem häufigen Wiedergeben der Interviews wird der Fließtext oft unterbrochen. Dies ist an sich kein Problem, doch werden in unterschiedlichen Kapiteln die gleichen Ausschnitte wiedergeben, was durchaus beim Lesen zu einem Moment der Verwirrung führen kann. Zentrale Begriffe sowie notwendige Vorkenntnisse werden im Text präzise und verständlich definiert und erläutert. Besonders hervorzuheben ist die Darstellung der sozialen Netzwerke im fünften Kapitel, die exemplarisch veranschaulicht, wie grundlegende Informationen für fachfremde Leserinnen und Leser klar und zugänglich vermittelt werden können, ohne dabei inhaltlich zu überfrachten oder unnötig zu verkomplizieren. Die Argumentation ist in beiden Kapiteln kaum zu kritisieren. Wie bereits früher angesprochen, sind die Zeitzeugenaussagen sehr gut mit wissenschaftlichen Fakten unterfüttert und eingerahmt. Auch die Nutzung der vielen diversen Quellen aus Österreich und Deutschland erzeugen ein qualitativ hochwertiges Bild.
Fazit
Stellt man den Text “Mediations Through Migrations: An Introduction on Cultural Translation and Knowledge Transfer” den beiden Kapiteln 4 & 5 aus dem Sammelband “A History of Displaced Knowledge: Austrian Refugees from National Socialist in Australia” gegenüber, lassen sich einige Gemeinsamkeiten, aber auch einige Unterschiede festmachen. Beide Texte behandeln, wie bereits in der Einleitung erwähnt, den Anschluss Österreichs 1938 ans Deutsche Reich und die damit verbundene Flucht und Migration. Des Weiteren werden in beiden Texten Beispielbiografien sowie junge Begrifflichkeiten (u.a. Kulturelle Übersetzung und Kulturelles Kapital) verwendet, um wissenschaftliche Erkenntnis zu erarbeiten. Die beiden Texte unterscheiden sich vor allem in ihrer Zielsetzung sowie ihrem Umfang. “Mediations Through Migrations: An Introduction on Cultural Translation and Knowledge Transfer” ist mit zwei Beispielbiografien weniger umfangreich als die Kapitel 4 und 5 des Sammelbandes „A History of Displaced Knowledge: Austrian Refugees from National Socialist in Australia“ mit rund 26 Augenzeugenberichten. Dies macht jedoch Sinn, da die Einleitung als Einstieg in das Thema gedacht ist und sich primär mit der Erklärung wichtiger Begriffe des Themas auseinandersetzt. In Kapitel 4 und 5 werden diese Begrifflichkeiten wiederum aufgegriffen, jedoch liegt der Fokus auf den Erlebnissen und Schicksalen der Geflüchteten. Der Text “Mediations Through Migrations: An Introduction on Cultural Translation and Knowledge Transfer” ist damit eine gute Basis, um die Kapitel 4 und 5 des Sammelbandes „A History of Displaced Knowledge: Austrian Refugees from National Socialism in Australia“ besser zu verstehen.
Rezensent:in: Moritz Boesser
Gabriela Stieber, Die Lösung des Flüchtlingsproblems 1945-1960, in: Thomas Albrich et. Al. (Hg.), Österreich in den Fünfzigern (Innsbruck, 1995), 67-93.
Philipp Strobl und Nikolaus Hagen, Neue Perspektiven in der DP-Forschung in Österreich, in: Nikolaus Hagen, et Al. (Hgs.), Displaced Persons-Forschung in Deutschland und Österreich. Eine Bestandsaufnahme zu Beginn des 21. Jahrhunderts (Berlin, 2022), 35-60.
Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg hat die noch heute bestehende zweite österreichische Republik nachhaltig geprägt. Ein Aspekt der dazu maßgeblich beigetragen hat ist der Bevölkerungszuwachs durch die im Land verbliebenen Flüchtlinge, Vertriebenen und andere Migrant:innen. Die Erforschung dieser Thematik, vor allem mit Blick auf die Auswirkungen auf die österreichische Gesellschaft, wurde lange Zeit vernachlässigt.
Um einen Einblick in das Forschungsfeld zu vermitteln sollen in diesem Gutachten zwei zeitlich weiter auseinanderliegende Beiträge zur Displaced-Persons-Forschung in Österreich analysiert und als Beiträge zur Erforschung der Geschichte der Displaced Persons (DPs) in Österreich eingeordnet werden. Einerseits handelt es sich um Gabriela Stiebers, in dem von Thomas Albrich herausgegebenen Sammelband „Österreich in den Fünfzigern“ aus dem Jahr 1995 und dem Beitrag von Philipp Strobl und Nikolaus Hagen, in einem von ihnen gemeinsam herausgegebenen Tagungsband aus dem Jahr 2021.
Die Lösung des Flüchtlingsproblems 1945-1960
Gabriela Stiebers Beitrag „Die Lösung des Flüchtlingsproblems 1945-1960“ nimmt eine besondere Rolle in der Erforschung von DPs in Österreich ein. Die Autorin verfolgt in ihrem Text einen wesentlich umfassenderen Ansatz als in vielen anderen Arbeiten zu dem Thema zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 1995. Sie betrachtet die Displaced Persons in Österreich in ihrer Gesamtheit ohne einzelne Personengruppen zu priorisieren. Sie betrachtet die Thematik aus verschiedenen Blickrichtungen, einerseits die organisatorische, welche Institutionen waren auf internationaler sowie nationaler Ebene für die DPs in Österreich verantwortlich? Andererseits gibt sie einen Einblick in das Lagerleben selber und hinterfragt, welche institutionellen Akteure dieses unter welchen Gesichtspunkten wie geformt haben? Sie stützt sich in ihrer Arbeit größtenteils auf Aktenbestände der Abteilung 12U des Bundesministeriums für Inneres, welche für die DPs und die Lager in Österreich nach der Übertragung durch die Alliierten verantwortlich war, sowie auf Sitzungsprotokolle der mit der Versorgung jener befassten internationalen Organisationen (United Nations Relief and Rehabilitation Administration, International Refugee Organization, Unitend Nations High Commissioner for Refugees).
Die Arbeit gliedert sich in vier Unterkapitel. Das erste Unterkapitel thematisiert den Übergang der Verantwortlichkeit von den Alliierten auf österreichische Behörden und berücksichtigt dabei auch die Rolle internationaler Hilfsorganisationen. Das zweite und umfangreichste Kapitel widmet sich den Lagern in Österreich – sowohl dem alltäglichen Leben im Lager als auch deren Organisation aus behördlicher Perspektive. Im dritten Kapitel steht die Auflösung der Lager im Fokus, erneut unter Einbeziehung internationaler Akteure. Abschließend wird im letzten Unterkapitel eine rückblickende Zusammenfassung gegeben, in der die Hindernisse im Umgang mit der sogenannten „Flüchtlingsproblematik“ in Österreich benannt und diskutiert werden, wobei differenziert aufgezeigt wird, inwiefern diese Herausforderungen erfolgreich oder weniger erfolgreich bewältigt wurden.
Die Autorin fokussiert sich in ihrem Beitrag auf die Gesamtzahl der DPs und Flüchtlinge in Österreich sowie auf die Geschichte der Institutionen die für sie verantwortlich waren. Dieser Ansatz hat Vor- und Nachteile. Er dient als roter Faden um die langfristige Entwicklung in Österreich zu betrachten, hat allerdings die Tendenz die Lebensrealität der Personen etwas in den Hintergrund treten zu lassen. Der Bezug auf einen Quellenbestand der von verantwortlichen Stellen erstellt wurde, mag dazu beitragen, dass der Text selber etwas anmutet, als würde man als lesende Person den Blick der Obrigkeit auf die in Österreich befindlichen DPs vermittelt bekommen.
Die Versorgung von Flüchtlingen und DPs in Österreich als Problem zu bezeichnen, wie es bereits im Titel getan wird, ergibt sich aus dem historischen Kontext, in dem diese Setzung gängig war.
Jedoch wird dabei auf sprachlicher Ebene das Problem auf die Personengruppe verschoben, während es ja in Wirklichkeit ein Problem der Verwaltung war, wie die Arbeit selber gut zeigt. Aber diese Kritik soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Stiebers Beitrag eine gute Einführung in die Thematik liefert, auch noch 30 Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung.
Displaced Persons-Forschung in Deutschland und Österreich. Eine Bestandsaufnahme zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Der Beitrag von Philipp Strobl und Nikolaus Hagen im Tagungsband zur Displaced Persons Forschung in Österreich zeigt in erster Linie die Leerstellen österreichischer Forschung auf.
Die beiden Autoren führen in die Thematik ein, liefern Definitionen und Zahlen bezüglich der DPs in Österreich, um von dort aus die Erforschung dieses Themenfeldes in den Blick zu nehmen. Die Anfänge dieses Forschungsfeldes lassen sich auf Arbeiten US-amerikanischer Wissenschaftler*innen zurückführen.. Innerhalb Österreichs kommt dem Historiker Thomas Albrich eine Schlüsselposition zu. Dieser hat seit den 1980er Jahren vor allem jüdische DPs in den Fokus seiner Forschung genommen. In Zuge dessen wurde Innsbruck zu einem zentralen Ort der österreichischen DP-Forschung.
Eine weitere Personengruppe, der ebenfalls Aufmerksamkeit gewidmet wurde, sind die sogenannten „Volksdeutschen“ Displaced Persons (DPs), wobei auch in diesem Bereich lediglich eine begrenzte Anzahl einschlägiger Forschungsarbeiten vorliegt.
Die bisherige Forschung im Feld der Displaced Persons hat bis hierhin ihr Augenmerk auf das Lagerleben in, sowie die Migration aus Österreich in andere Länder gerichtet, damit einhergehend wurde Österreich hauptsächlich als Transitland wahrgenommen. Dementsprechend sind die soziokulturellen Einflüsse von ehemaligen DPs, die in Österreich verblieben sind, auf die österreichische Nachkriegsgesellschaft weitestgehend unerforscht geblieben.
An dieser Stelle liefert der Beitrag eine Vielzahl von neuen Ansätzen, die es zu erforschen den Autoren lohnend scheinen. Dabei sind die zentralen Forschungsfelder die genannt werden Wissensgeschichte sowie Biografieforschung. Unter diesen beiden Oberbegriffen ließe sich nach Strobl und Hagen der soziale, kulturelle und ökonomische Einfluss, den DPs in Österreich unzweifelhaft gehabt haben, auf die Nachkriegsgesellschaft näher beleuchten. Strobl hat in seiner jüngst erschienenen Monographie „A History of Displaced Knowledge“ diese Ansätze verfolgt und damit zumindest begonnen diese Leerstelle selbst zu füllen.
Die beiden Autoren heben wiederholt die Bedeutung akteursbezogener und interkultureller Ansätze der zeitgenössischen Migrationsforschung hervor und plädieren dafür, diese Perspektiven stärker in die historische Aufarbeitung der Geschichte der Displaced Persons in Österreich einzubeziehen. Ein weiteres explizit benanntes Forschungsdesiderat ist der Vergleich sowohl im internationalen Kontext – also mit anderen Gesellschaften, die Displaced Persons (DPs) aufgenommen haben – als auch innerhalb Österreichs, etwa hinsichtlich der Integration unterschiedlicher Gruppen. Ziel eines solchen Vergleichs ist es, die jeweils angewandten Strategien zur Integration zu analysieren und zu bewerten, inwieweit diese in der bestehenden Gesellschaftsordnung erfolgreich zur sozialen Eingliederung der DPs beigetragen haben.
Insgesamt lässt sich der Beitrag als Aufforderung an die Forschung verstehen, Migrationsforschung überhaupt mehr in den Fokus zu nehmen, als auch Anstöße zu geben, in welche Richtung sich diese Forschung orientieren könnte bzw. sollte. Die Normalität von Migration, welche in den letzten Jahren immer sichtbarer geworden ist, jedoch von politischer Seite negiert und instrumentalisiert worden ist, lässt diese Forderung nur umso relevanter erscheinen.
Fazit
Vergleicht man die Texte von Stieber und Strobl/Hagen fällt einem zuallererst auf, das in den dazwischenliegenden fast 30 Jahren nicht so viel in der Erforschung der DPs in Österreich passiert zu sein scheint. Stiebers Text liefert einen guten Überblick und Einstieg in die Thematik, auch wenn manche ihrer Ansätze vielleicht heute anders, oder erweitert, verwendet werden sollten. Der Text von Strobl und Hagen gibt einen umfassenden Überblick in das Forschungsfeld im Allgemeinen, jedoch vor allem auch einen Einblick in welche Leerstellen noch zu füllen sind.
Die beiden Beiträge eignen sich aus dieser Perspektive sehr gut um auf der einen Seite einen thematischen Einblick in die Problematik zu bekommen, und auf der anderen einen Ausblick wie die Erforschung des Themas bis hierhin stattgefunden hat und was noch geleistet werden müsste.
Rezensent:in: Reinhard Faber und Felix Kisling
Sarah Knoll, Calling für Support. International Aid for Refugees in Austria during the Cold War (Wien, 2021). In: Oliver Rathkolb (Hg.), Zeitschrift Zeitgeschichte, 48. Jahrgang, Heft 3 (Wien, 2021), 387-409.
Maximilian Graf, Sahra Knoll, In Transit or Asylum Seekers? Austria and the Cold War Refugees from the Communist Bloc, In: Günther Bischof, Dirk Rupnow (Hg.), Migration in Austria, Reihe Contemporary Austrian Studies, 26. Ausgabe (Innsbruck, 2017), 91-111.
Diese Rezension stellt zwei aktuelle Werke zur Fluchtmigration in Österreich während des Kalten Krieges vor und vergleicht diese miteinander. Einerseits handelt es sich um einen Aufsatz in der Fachzeitschrift Zeitgeschichte aus dem Jahr 2021 mit dem Titel „Calling für Support. International Aid for Refugees in Austria during the Cold War“. Zudem analysieren wir noch einen Fachartikel aus dem Jahr 2017 mit dem Titel „In Transit or Asylum Seekers? Austria and the Cold War Refugees from the Communist Bloc“.
Sarah Knoll, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien, hat mit ihrem in englischer Sprache veröffentlichten Artikel (siehe Titel 1) unter Beweis gestellt, dass sie durch ihr profundes Wissen über die Entwicklungen der Migration in Österreich des 20. Jahrhundert zu den profilierten Kenner:innen dieses Themas zählt. Sie fokussiert in diesem Artikel auf das Zusammenspiel zwischen den jeweiligen österreichischen Regierungen und der UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees), deren Entstehung 1951 erst mit der Ungarnkrise 1956 internationale Bedeutung errang. Ebenso konnte die junge Zweiten Republik Österreich als erstes westliches Aufnahmeland nahe am Eisernen Vorhang internationales Ansehen erwerben.
Diese beiden Aspekte werden von Sarah Knoll interessant und anschaulich geschildert, nachdem sie Grundlegendes zur UNHCR sowie der Migrationssituation nach dem Zweiten Weltkrieg einführte. Nach einer eindrücklichen Beschreibung der Ungarnmigration 1956 wird als nächste Herausforderung die Fluchtbewegung 1968 aus der Tschechoslowakei beleuchtet. Spannend an den folgenden Ausführungen ist der erkennbare weltweite Wandel aufgrund der globalen Wirtschaftskrise (Erdölschock) der frühen 1970er Jahre und das gleichzeitige deutliche Ansteigen der Migrationszahlen aufgrund der stattfindenden Entkolonisierung in Asien und Afrika. Gleichzeitig nahm international bis in die 1980er Jahre hinein die anfangs große Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen aus dem „Ostblock“ ab.
Österreich war in der Folgezeit bis zum Fall des Eisernen Vorhangs 1989 immer wieder mit Migrationswellen konfrontiert und forderte stets die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft im Hinblick auf organisatorische Hilfe bei der Weiterreise der Eintreffenden bzw. finanzielle Abgeltung hinsichtlich Schulungs- und Wohnprogramme für die in Österreich Verbleibenden, die in den 1980er-Jahren aus Polen und Rumänien ankamen.
Bereits diese galten jedoch nicht mehr als politische Flüchtlinge, sondern wurden als „Wirtschaftsmigranten“ abqualifiziert, ebenso die Flüchtenden aus der DDR. Der Jugoslawienkrieg zu Beginn der 1990er-Jahre bewirkte in Österreich die offizielle Abkehr vom Bild eines offenen humanitären Transitlandes mittels Zurückweisung und Grenzkontrollen.
Der Forschungsstand zeigt sich zu diesem interessanten zeitgeschichtlichen Thema doch recht unterschiedlich. So gibt es zur Ungarnkrise 1956 umfangreiche Studien, zu den folgenden deutlich weniger und eine zusammenführende Forschungsbewegung zu allen Fluchtmigrationswellen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wartet noch auf ihren Startschuss.
Spannend und in allen Passagen des Artikels lässt die Verfasserin die Lesenden durch eine flüssige und verständliche Darstellung die jeweiligen Phasen der Migrationsgeschichte in Österreich Revue passieren, ebenso die von Anfang an auch fokussierte Rolle und Leistungen des UNHCR. Wenn auch die Wahl der wenigen Überschriften im Artikel nicht gänzlich die Inhalte der jeweiligen Absätze erahnen lässt, gelingt es ihr, einen guten Überblick zu gestalten und vor allem das Wechselspiel zwischen innerösterreichischer Hilfeleistung und der internationalen Unterstützung nachvollziehbar zu machen. Sie verweist dazu auf eine sehr große Anzahl von Quellen und Literatur, auf die sich ihre Ausführungen aufbauen.
Der Artikel “In Transit or Asylum Seekers? Austria and the Cold War Refugees from the Communist Bloc” wurde von der bereits vorgestellten Sahra Knoll gemeinsam mit Maximilian Graf verfasst und in der Reihe „Contemporary Austrian Studies“ im Jahr 2017 veröffentlicht. Maximilian Graf studierte an der Universität Wien Geschichte mit einem Schwerpunkt auf Österreichs Politik im Kalten Krieg, welches er 2012 mit einer Dissertation abschloss und arbeitete anschließend eine gewisse Zeit am Institut für Zeitgeschichte. Im Zuge seiner Karriere mit einigen Wissenschaftspreisen ausgezeichnet und durch sein Engagement in verschiedenen Forschungsprojekten auch im Feld der neueren Migrationsgeschichte verleihen Maximilian Graf ebenfalls eine Expertise auf diesem Feld. Genau wie der bereits zuvor vorgestellte Text behandelt auch dieser die vier großen Migrationswellen des 20. Jahrhunderts nach Österreich, nämlich 1956 aus Ungarn, 1968 aus der Tschechoslowakei, 1981 aus Polen und 1989 aus dem gesamten Ostblock, im Text mit Fokus auf Flüchtlinge aus Rumänien und der DDR. Während der erste Artikel sich vor allem auf die Bedeutung von internationaler Hilfe zur Bewältigung dieser Krisen fokussierte, versuchen die beiden Historiker*innen hier die Medienrezeption dieser Ereignisse zu analysieren und die wandelnde Selbstwahrnehmung Österreichs im Zusammenhang mit Transit und Migration zu ermitteln.
Wie der vorhergegangene Text ist auch dieser dynamisch geschrieben und zeichnet sich durch eine gelungene Mischung quantitativer und qualitativer Elemente in Bezug auf die Methodik des Textes aus. Sowohl numerische Daten als auch Zeitzeugnisse wie Zeitungsartikel, welche wegen der Thematik der Medienrezeption als Quellen, unerlässlich sind, wurden in den Text organisch eingearbeitet, um die Ausgangsfragen des Textes befriedigend zu beantworten.
Anhand der Ergebnisse, welche in dem Artikel herausgearbeitet werden, können einige Kernaussagen deutlich erfasst werden. Zum einen scheint sich Österreich in diesen Krisen hauptsächlich als Transitland verstanden zu haben, was man an der Neigung zur schnellen Umverteilung der Geflüchteten in umliegende Staaten erkennen kann. Vor allem, wenn besagte Geflüchtete aus Ländern mit einer gemeinsamen Grenze kamen, was die Schwierigkeit der Bewältigung durch die konzentrierte Masse der Hilfsbedürftigen verstärkte, wurde seitens der Politik rasch um internationale Hilfe angesucht. Denn auch seitens der Bevölkerung kam bei verlängerter Dauer der Krise entsprechender Druck auf die Regierung, welcher sicher auch durch Boulevardmedien befeuert wurde. Die heimischen Medien stilisierten Österreich spätestens beim Fall der Mauer schon hin zu einer Art „Krisenmanager“ bei Fluchtwellen aus dem Osten. Obwohl die beiden Historiker*innen gewisse Charakteristika dieser Meistererzählung als zutreffend erachten, setzen sie sich für eine Neubetrachtung und Demystifizierung der Rolle Österreichs in der Krisenbewältigung ein.
Knoll und Graf bewerkstelligen es, in dem 21-seitigen Artikel eine Zeitspanne von 34 wechselhaften Jahren österreichischer Migrationsgeschichte zu betrachten und systematische logische Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Beeindruckend ist, wie organisch quantitative und qualitative Methoden miteinander in der Schrift verarbeitet werden, was in anderen Artikeln nicht der Fall ist. Allerdings kommt das Thema der Medienrezeption in dem Artikel beinahe etwas zu kurz. Zwar wird dieser Aspekt in der Einleitung als Hauptpunkt der Arbeit angekündigt, findet allerdings nur wenig Platz und wird erst wieder in der Conclusio tatsächlich wieder aufgegriffen. Dennoch liefert der Artikel spannende Einblicke in diesen wenig betrachteten Bereich der Österreichischen Geschichte.
So sind beide Artikel jedenfalls dazu geeignet, ein Interesse für dieses Thema weiter auszubauen und es wäre dadurch auch das Verdienst der Autor:innen, wenn sich Forschende künftig entweder mit einer qualifizierten Zusammenschau aller Entwicklungen zum Thema befassen oder aber in einzelne bisher weniger behandelte Migrationsbewegungen vertiefen würden.
Rezensent:in: Fabian Eigner und David Manaila
Vida Bakondy, ‘Austria Attractive for Guest Workers?’: Recruitment of Immigrant Labor in Austria in the 1960s and 1970s, in: Günter bischof et al., Migration in Austria (New Orleans, 2017), 113–138.
Ingrid Blasge, Flüchtling, Gastarbeiter, Mensch mit „Migrationshintergrund“ – Österreichische Zuwanderungsgeschichte seit 1955 aus identitätspolitischer Perspektive, in: Philipp Strobl (Hg.), Österreich in der Zweiten Republik: ein Land im Wandel (Hamburg, 2014), 117-132.
Lisa Grösel, Fremde von Staats wegen: 50 Jahre „Fremdenpolitik“ in Österreich (Wien, 2016).
Österreichs Verhältnis zur Migration ist von tief verwurzelten Spannungen geprägt – zwischen historischer Realität und politischem Selbstbild, zwischen außenpolitischer Selbstdarstellung und innergesellschaftlicher Abgrenzung. Diese Ambivalenz zeigt sich nicht nur in konkreten politischen Entscheidungen, sondern auch in den Begriffen, mit denen über Zugehörigkeit und Fremdheit gesprochen wird. In der Auseinandersetzung mit Migrationsbewegungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird deutlich, dass Migration zwar ein konstanter Bestandteil österreichischer Gesellschaft ist, aber bis heute häufig als Ausnahmezustand, als vorübergehende Erscheinung behandelt wird.
Drei verschiedene Analysen und Blickwinkel bieten uns hier die vorliegenden Texte von Vida Bakondy (“Austria Attractive for Guest Workers?” Recruitment of Immigrant Labor in Austria in the 1960s and 1970s), Ingrid Blasge (Flüchtling, Gastarbeiter, Mensch mit „Migrationshintergrund“ – Österreichische Zuwanderungsgeschichte seit 1955 aus identitätspolitischer Perspektive) und Lisa Grösel (Fremde von Staats wegen). Wenn die drei Texte auch ein gemeinsames Themengebiet, nämlich Migration, abbilden, ist es trotzdem, oder gerade deswegen, wert sie zu lesen. Die Texte werden im Folgenden also einzeln analysiert und verglichen, ebenso wird eine kontextuelle Leseempfehlung ausgesprochen.
Zwar behandeln logischerweise alle drei Texte die Gastarbeiterthematik insbesondere rund um Jugoslawien und die Türkei, da es für Österreich wirtschaftlich sowie gesellschaftlich massive Änderungen mit sich brachte, jedoch gibt Ingrid Blasges Text hier wahrscheinlich den einsteigerfreundlichsten Beitrag ab.
Das erste Kapitel gibt einen historischen Überblick seit 1955, setzt hier gezielt auch auf andere Fluchtwellen, wie beispielsweise Ungarn und hebt somit hervor, dass Österreich auch abseits der bekannten Arbeitermigration in den 1970er Jahren und dem Nah-Ost-Konflikt ab 2014 stets Migrations- und Aufnahmeland war. Im zweiten Kapitel widmet auch sie sich der Gastarbeiterbewegung. Diese wird kurz und kompakt behandelt und beinhaltet die wichtigsten Punkte, was für ein schnelles Einlesen ermöglicht. Im dritten Kapitel wird der Umgang mit Sprache im Migrationskontext behandelt, der bis heute die Politik und Gesellschaft beschäftigt. Die Argumentation zeigt, dass eine unterschiedliche sprachliche Wortführung im Sinne der Migrationsdebatte Wertigkeiten miteinbezieht und politisch und gesellschaftlich instrumentalisiert wird, oft zum Nachteil der Geflüchteten.
Vida Bakondys Beitrag konzentriert sich großteils auf die Gastarbeiterbewegung – von der Entstehung der Idee, (die kein österreichisches Phänomen darstellte), über die rechtlichen Rahmenbedingungen, weiter zur Verwirklichung der Verträge bis hin zum Anwerben der Gastarbeiterinnen und deren Methoden und Umgang mit den Folgeerscheinungen gibt Bakondys Text einen fundierten Einblick in die Thematik. Sie geht außerdem auf die gescheiterten beziehungsweise effektlosen Verträge und deren Gründe, wie zum Beispiel mit Spanien, ein, beschreibt weiters das Entstehen des Raab-Olah-Abkommens und die tragende Rolle der Sozialpartnerschaft (und wie diese daraus auch politisch profitierte) und geht außerdem auf die großen sozialen und rechtlichen Kluften zwischen Österreicherinnen und Gastarbeiterinnen ein.
Ähnlich in der Kernthematik handelt Lisa Grösels Text von der Gastarbeiterbewegung. Der herausstechendste Unterschied ist wohl die Sprache, denn während Bakondy in Englisch schreibt, ist Grösels Beitrag in Deutsch verfasst und erfreut sich wohl zumindest im deutschsprachigen Bereich einer größeren Rezipienteninnenschaft. Wenn auch inhaltlich einige Parallelen bestehen, fokussiert sich Grösel weniger auf die Rahmenbedingungen, mehr auf die Lebensrealitäten von Geflüchteten, auf soziale Unterschiede. Sie differenziert, schreibt aus unterschiedlichen Perspektiven, meistens sind es zwei: der/die Österreicher:in und der/die Nichtösterreicher:in. Diese Ungerechtigkeit als Ausgangspunkt zieht sich durch den ganzen Text und offenbart wissenschaftlich die sehr rohen Seiten des wirtschaftlichen Aufschwungs Österreichs.
Zusammengefasst machen alle analysierten Texte Muster sichtbar – mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, aber aufeinander bezogene Weise. Die Argumentationen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar, wobei eine klare Strukturierung der Inhalte besonders in der historischen Perspektive zur Lesbarkeit beiträgt. Begrifflichkeiten werden sorgfältig eingeführt und erklärt, sodass die Leserinnen den Gedankengängen auch ohne spezielles Vorwissen gut folgen können. Einige Abschnitte, besonders bei der kulturwissenschaftlichen Analyse, wirken stilistisch etwas dichter und setzen mitunter voraus, dass man sich in die Sprache einliest – was jedoch nicht zu Lasten der Verständlichkeit geht. Insgesamt sind beide Texte sprachlich klar und weitgehend frei von unnötig komplizierter Fachsprache. Die verwendeten Werke sind aktuell und einschlägig, sodass die Aussagen gut abgesichert sind.
Abschließend bleibt zu vermerken, dass es allen Beiträgen gelingt, zentrale Fragen der Migrationsgesellschaft Österreichs sichtbar zu machen – auf theoretischer wie auf praktischer Ebene. Während Grösel und Bakondy eine thematisch vertiefte Auseinandersetzung mit der Gastarbeiterbewegung im Speziellen bieten, gibt Blasge einen guten Einstieg zum Einlesen in die Migrationsgeschichte, der zum Weiterlesen anregt.
Rezensent:in: Mohammad Amin Haeri und Sven Ivanic
Bernhard Perchinig, Migration, Integration und Staatsbürgerschaft in Österreich seit 1918, Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft (2009), 1-31.
Rainer Bauböck, “Nach Rasse und Sprache verschieden”: Migrationspolitik in Österreich von der Monarchie bis heute, Institut für Höhere Studien – Institute for Advanced Studies 31 (1996), 1-29.
Ziel dieser Review ist die kritische Beurteilung der zentralen Argumentationsthesen, Untersuchungsergebnisse und methodischen Vorgehensweisen sowie des Erkenntniswerts der wissenschaftlichen Aufsätze „Migration, Integration und Staatsbürgerschaft in Österreich seit 1918“ und „Nach Rasse und Sprache verschieden Migrationspolitik in Österreich von der Monarchie bis heute” von Bernhard Perchinig beziehungsweise Rainer Bauböck. Während sich Perchinig mit den Fragestellungen “Wie erfolgten die Veränderung und Entwicklung der österreichischen Migrations-, Staatsbürgerschafts- und Integrationspolitik seit 1918” und “Welche sozialen, institutionellen und politischen Grundbedingungen beeinflussten die österreichischen Migrations- und Integrationslandschaft?” beschäftigt, setzt sich Bauböck mit der Frage “Warum wird Österreichs reichhaltige Tradition sowohl als Auswanderungs- wie Einwanderungsland in den gegenwärtigen Debatten über die Aufnahme von Flüchtlingen und die Zulassung ökonomischer Immigranten so sehr vernachlässigt?” auseinander.
Bevor sich Perchinigs Text seiner Materie widmet, erfolgt zuerst die Definition der internationalen Migration, Binnenmigration und Staatsbürgerschaft sowie Integration. Danach greift er das in der Ersten Republik bestehende Heimatrecht auf, das für die Unterstützung und das Abschiebeverbot der armen GemeindebürgerInnen unverzichtbar ist. Auch führt er das 1925 eingetretene Inlandarbeiterschutzgesetz zur bloßen Anwerbung von fachkundigen AusländerInnen und Inländerprimat zur Begünstigung der österreichischen Arbeiterschaft an. Die Zweite Republik war schließlich von der Ansiedlung der vertriebenen Volksdeutschen aus Ost- und Mitteleuropa und zwangsweise einberufenen ArbeitnehmerInnen und Kriegsinternierten sowie jüdischen Überlebenden geprägt, die unter den „Displaced Persons“ zusammengefasst werden. Jedoch erhielten die Volksdeutschen gegenüber den DPs stets arbeits- und staatsbürgerrechtliche Vorteile. Weiters entstanden zwei Modelle zur politischen Arbeitsmarktregelung wie die Marktsteuerung (ÖVP/Arbeitgebervertretung) und das Zusammenspiel von Staat und Sozialpartnerschaft (SPÖ/Gewerkschaften). Nachdem die Bundeswirtschaftskammer die verstärkte Ausländerbeschäftigung in den 1950er Jahren beanspruchte, begünstigte der österreichische EU-Beitritt das Schwanken des Inländerprimats. Dank der migrationspolitischen Vergemeinschaftung wurde auch die Gleichstellung der Drittstaatsangehörigen beim passiven Wahlrecht erreicht. Weil der Autor die Auswirkungen der sozialen Bürgerrechte (Heimatrecht) und österreichischen Parteien (ÖVP/SPÖ/FPÖ) sowie institutionellen Organe der EU (Verfassungsgerichtshof) auf die Migrations-, Staatsbürgerschafts- und Integrationspolitik Österreichs seit 1918 beleuchtet und diese drei Aspekte eine zunehmend progressive Öffnung durchlaufen, werden die obenstehenden Fragestellungen vollständig beantwortet.6
Bauböck hingegen analysiert den historischen Verlauf der Reaktionen Österreichs auf Migration und Flüchtlingswellen seit der Habsburgermonarchie bis in die 90er Jahre. Die Annahme, dass Österreich stets als Transitland für Flüchtlinge und nicht als langfristige Heimat für MigrantInnen wahrgenommen wurde, wird dabei besonders in den Fokus genommen. Historische Muster in Verbindung mit der österreichischen Identität, Symbolpolitik im Zusammenhang mit Migrationsströmen, die Gastarbeiterpolitik seit den 1960ern und die politische Debatte rund um Migration stellen die einzelnen Eckpfeiler seiner Analyse dar, an welchen er sich orientiert. Als Kritik hebt Bauböck vor allem das Fehlen einer inklusiven österreichischen Identität hervor. Die Hauptaussage des Textes von Bauböck beschäftigt sich mit einem anderen Aspekt. Er geht vor allem darauf ein, dass sich Österreich in seiner jüngsten Geschichte als Transitland und nicht als dauerhaftes Aufnahmeland für Flüchtlinge und MigrantInnen verstand. Die politischen und gesellschaftlichen Implikationen werden dabei diskutiert und kritisch hinterfragt.
Um an die Methodik anzuschließen, folgt Perchinig der rekonstruktiv-deskriptiven Vorgangsweise für die Erforschung der chronologischen Entwicklung und Veränderung der Integrationspolitik seit 1918. Es besteht auch eine historisch-vergleichende Methodik, da Gruppen wie die Volksdeutschen und DPs in der Ersten Republik arbeits- und staatsbürgerrechtlich einander gegenüberstellt werden und Länder wie Österreich, Deutschland und die Niederlande im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedstaaten das Daueraufenthaltsrecht konsequent an Integrationsmaßnahmen koppeln möchten. Trotz dieser gewählten Methodik ist sein wissenschaftlicher Aufsatz stark von oben geschrieben worden, wodurch die Wahrnehmung der Migrierenden nahezu ausgeklammert wird. Außerdem enthält sein Text keine ausführliche Methodendiskussion, die seine genaue Vorgangsweise bei der Themenaufarbeitung erklären würde. Weil er zu Beginn die internationale Migration, Binnenmigration, Staatsbürgerschaft und Integration definiert und die zuletzt Genannten vor allem der historischen Wandelbarkeit unterliegen, wird er grundsätzlich der kritischen Migrationsforschung zugeordnet. Weiters ist die geschichtliche Differenzierung der Migrationsgruppen für die schleppende wissenschaftliche Aufarbeitung der Displaced Persons wichtig. Des Weiteren sind die herangezogenen Quellen wie behördliche und institutionelle Beiträge vom Bundesministerium für Inneres und Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung und wissenschaftliche Monografien und Sammelbände von Rainer Bauböck zuverlässig, weil die amtliche Glaubwürdigkeit sichergestellt ist und letzterer ebenso die fachliche Expertise teilt. Diese hervorragende Quellenauswahl entspricht seinem Ansatz und ist bis auf die 1961 gehaltene Ansprache von Julius Raab, dem ehemaligen Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, und den 1985 erschienenen Sammelbeitrag von Hannes Wimmer zur österreichischen Ausländerbeschäftigungspolitik recht aktuell gewesen. Es fehlt, wie bereits erwähnt, trotz der genügenden Literatur und beantworteten Forschungsfragen eine ausgewogenere Aufarbeitung. Die Kurzitate der meisten Quellen wurden im Fließtext in Klammern gestellt, der auch die kapitelübergreifenden Ausarbeitungen von Bernhard Perchinig umfasst. Dahingegen dienen die teils versetzten Fußnoten als Erklärungsgrundlage und enthalten Dokumentennennungen wie Bundesgesetzblätter. Zudem ist das Literaturverzeichnis wegen fehlender Seitenzahlen und Ortsangaben teilweise lückenhaft. Außerdem ergeben sich stellenweise Unklarheiten bei der kritischen Argumentation, denn Perchinig zieht einen Vergleich zwischen Österreich und Deutschland beim prozentualen Anteil der integrierten Flüchtlinge in der Nachkriegszeit, ohne ein bestimmtes Jahr zu nennen. Daher ist dieser wenig aufschlussreich. Darüber hinaus sind manche Textstellen wie jene zu staatlichen Migrationsregelungen in Österreich-Ungarn zu verschachtelt, um ihren Sinn sofort erfassen zu können.7
Im Gegensatz dazu stützt sich Bauböck methodisch auf qualitative Ansätze. Gesetze, kontroversielle Ereignisse, einzelne politische Entscheidungen und gesellschaftliche Entwicklungen werden als Evidenz angeführt. Es werden aber auch statistische Elemente herangezogen und in der Analyse inkludiert wie etwa Volkszählungen, welche zu den quantitativen Methoden zählen. Das Essay ist in neun Kapitel unterteilt, wobei jedes einzelne Kapitel einen historischen Abschnitt der österreichischen Migrationsgeschichte behandelt. Bezüglich der Quellen wurde mit einer Reihe an Monographien, Sammelbänden und wissenschaftlichen Zeitschriften gearbeitet, welche sich zu einem gewissen Teil sehr spezifisch mit einzelnen Aspekten der verschiedenen Flüchtlings- und Migrationsströme befassen. Genauso werden aber auch Werke zitiert, die allgemeine historische Forschungsergebnisse präsentieren und auch nicht exklusiv das Thema Migration behandeln. Statistische Ergebnisse und Eckdaten werden genauso wie einzelne historisch relevante Ereignisse klar dargelegt und in annährend chronologischer Reihenfolge präsentiert. Dabei fällt auf, dass sich viele der Unterthemen stark überschneiden und thematisch ineinandergreifen. Zusätzlich spürt man als Leser, wie sich der Aufbau des Essays im Laufe der Kapitel inhaltlich von historischer Analyse immer mehr in Richtung gesellschaftlicher Schlussfolgerungen aus eben jenen vergangenen Kapiteln bewegt. Das ist argumentativ sehr eingängig, da hier mit historischer Evidenz die spätere Beantwortung der Forschungsfrage untermauert werden kann.
Abschließend bewerten wir das Essay von Bauböck als positiv und empfehlen es als konstruktiven Beitrag zur österreichischen Geschichts- und Migrationsforschung weiter, weil die Migrationsforschung im deutschsprachigen Raum vergleichsweise wenige Ergebnisse vorweisen kann. Als Einführung in die Kontroversen, Debatten und wichtigsten historischen Begebenheiten rund um Migration in Österreich sehen wir dieses Essay vor allem wegen der schlüssigen Argumentation und der relevanten Diskussionsansätze und aufgeworfenen Fragen als nützlichen Einstiegstext für Interessenten. Weiters lässt sich sagen, dass der wissenschaftliche Aufsatz von Bernhard Perchinig trotz der bestehenden Mängel die historischen Spuren der Migrations-, Staatsbürgerschafts- und Integrationspolitik aufdeckt, um die gegenwärtigen einschränkenden Migrationsmaßnahmen verstehen zu können. Gleichzeitig stellt er eine teils offene, teils restriktive österreichische Migrationspolitik in Aussicht.8
Rezensent:in: Hanna Perberschlager
Dirk Rupnow, Geschichte und Gedächtnis von Migration in Österreich, in: Senol Grasl-Akkilic et.Al. (Hgs.), Aspekte der österreichischen Migrationsgeschichte (Wien, 2019), 18-59.
Migration ist kein neues Phänomen, doch ihre historische Verankerung und erinnerungskulturelle Aufarbeitung stehen in Österreich erst seit vergleichsweise kurzer Zeit im Fokus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Aufmerksamkeit. Passend dazu fordert der Migrationshistoriker Dirk Rupnow in seinem Beitrag „Geschichte und Gedächtnis von Migration in Österreich“, Migration als zentralen Bestandteil der österreichischen Geschichte und Gesellschaft anzuerkennen und stärker im kollektiven Gedächtnis, als auch in Institutionen, zu verankern. Er zeigt, dass Migration kein Ausnahmezustand, sondern seit Jahrzehnten gelebte Realität ist, die bisher oft ausgeblendet wurde. Die vorliegende Rezension setzt sich mit diesem, von ihm verfassten Beitrag, erschienen in „Aspekte der österreichischen Migrationsgeschichte“, welches von Senol Grasl-Akkilic, Marcus Schober und Regina Wonisch herausgegeben wurde, auseinander. Ziel ist es, Rupnows Beitrag inhaltlich und methodisch zu analysieren, wobei zunächst eine knappe Zusammenfassung der zentralen Aussagen, Quellen, der verwendeten Methodik, sowie seiner Schlussfolgerung gegeben werden soll. Im Anschluss erfolgt eine kritische Bewertung hinsichtlich der Forschungsfrage, der Methodenauswahl, der Argumentationsstruktur und der Originalität des Beitrags, wobei auch die Stärken und Schwächen des Textes aufgezeigt und auf deren Grundlage Empfehlungen für mögliche methodische oder inhaltliche Weiterentwicklungen ausgesprochen werden sollen.
Der Text beanstandet, dass Migration in Österreich bislang nur unzureichend als historisch und gesellschaftlich prägendes Phänomen untersucht wurde, obwohl Migration seit Jahrzehnten die Entwicklung des Landes wesentlich geprägt hatte. Meist wird sie als Ausnahme- oder Krisenerscheinung behandelt, nicht als selbstverständlicher Teil der Geschichte und Gegenwart. In Schulbüchern, Museen, Denkmälern und Archiven, so die Aussage, fehlen migrantische Perspektiven häufig, was zu einem einseitigen nationalen Geschichtsbild beiträgt. Dabei wird übersehen, dass Menschen mit Migrationshintergrund das Land längst geprägt haben und Österreich zumindest seit dem 20. Jahrhundert divers war und sich nicht gerade erst in diese Richtung entwickelt. Der Text fordert, Migration systematisch in Archive und kulturelle Institutionen zu integrieren, individuelle Erfahrungen zu dokumentieren und eine multiperspektivische, transnationale Geschichtsschreibung zu etablieren, in der jede Geschichte zählt. So könnte eine inklusive Erinnerungskultur entstehen, die der Realität einer Migrationsgesellschaft gerecht wird.
Bezüglich der angewandten Methodik zeigt sich, dass eine Diskursanalyse – also die Untersuchung politischer und gesellschaftlicher Debatten über Migration – durchgeführt wurde. Außerdem setzt Rupnow in einer vergleichenden Perspektive Österreich in einen größeren, internationalen Kontext. Er untersucht im Rahmen einer historischen Analyse die Migrationsgeschichte anhand historischer Quellen, erforscht mit Hilfe von Gedächtnisforschung die kollektive Erinnerung oder Verdrängung von Migration in Österreich und stützt seine Thesen durch quellenbasierte Forschung, wobei Archivmaterialien, Zeitungsartikel, politische Dokumente oder Studien verwendet werden.
Hinsichtlich der konkreten Forschungsfrage lässt sich sagen, dass sie in Rupnows Text nur angedeutet ist und nicht ausdrücklich genannt wird. Stattdessen wird eine Vielzahl von Aspekten und Problemen angesprochen, wie die verzerrte Wahrnehmung von Migration in Österreich, die mangelnde Repräsentation von Migrant*innen in einzelnen Institutionen, sowie die Notwendigkeit einer multiperspektivischen Geschichtsschreibung. Den Leserinnen und Lesern bleibt es folglich selbst überlassen, eine präzise Fragestellung abzuleiten. Grundsätzlich lässt sich allerdings behaupten, dass sich die Frage, wer auf welche Weise und aus welchen Gründen erinnert oder verdrängt wird, durch den gesamten Text zieht.
Ein zentrales Argument für die Sinnhaftigkeit der gewählten Methodik ist, dass Rupnows Diskursanalyse verdeutlicht, wie stark Begriffe gesellschaftliche Wirklichkeit mitprägen. So verdeutlicht „Flüchtlingskrise“, „wie europäisch verzerrt und auf die Gegenwart beschränkt die Wahrnehmung in Österreich“9 ist, während der lang verwendete Begriff vom „Gastarbeiter“, „der das Land wieder zu verlassen hat, sobald seine Arbeitskraft nicht mehr benötigt wird“10, migrationspolitische Deutungsmuster offenlegt.
Durch die historische Analyse können zudem Wandlungsprozesse, Kontinuitäten und Brüche erarbeite werden, wie z.B. ab der Arbeitsmigration der 1960er bis hin zur Debatte 2015/2016. Das dient auch der Dekonstruktion des Narrativs vom „plötzlich entstandenen Einwanderungsland“. Die Gedächtnisforschung ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, da der Text sich grundlegend mit der Frage beschäftigt, wer erinnert wird und wer in Vergessenheit gerät. Mittels der vergleichenden Perspektive werden spezifische österreichische Narrative, Verdrängungen und Versäumnisse verdeutlicht und schlussendlich wird die Arbeit durch quellenbasierte Forschung ergänzt.
Was die Quellen anbelangt, lässt sich sagen, dass Rupnow einen Literaturüberblick gibt und hauptsächlich auf gedruckte Werke verwendete, wobei allerdings an Stellen wie der medialen Berichterstattung zu den Anwerbeabkommen unter anderem auf „Der Standard“ und „Die Presse“ verwiesen wird, welche auch online einsehbar sind. Bei den Informationen zu einzelnen Dokumentationsarchiven (z.B. beim Vielfaltenarchiv, oder DOMiD) werden offizielle Webseiten zitiert. Auch schreibt er über den Deutschen Museumsbund und seine Handreichung 2015, und gibt als Quelle für seine Informationen die Handreichung direkt an, anstatt einer Sekundärliteratur. Dies ist als sehr positiv zu beurteilen, da so die Informationen direkt aus der Originalquelle stammen und die Genauigkeit der Darstellung erhöht wird. Bei Statistiken greift er auf Statistik Austria zurück, oder zum Beispiel bei der Anzahl der Asylanträge auf die Daten des BMEiA.
Rupnows Argumentationsstruktur weist einen klaren roten Faden auf, da der Text mit einer Kritik an der Gegenwartswahrnehmung beginnt und daraus schlüssig die Forderung nach einer inklusiven Erinnerungskultur entwickelt, indem argumentiert wird, dass Österreich bereits seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist (wirtschaftlicher Aufstieg durch Arbeitsmigration), migrantische Geschichten jedoch trotzdem in Archiven fehlen und Deutschland hier als Vorreiter angesehen werden kann.
Der Text möchte dazu anregen, die nationale Geschichtsschreibung zu erweitern, indem er Migration als transnationales Phänomen thematisiert und die Problematik der fehlenden Sichtbarkeit von Migrant*innen anspricht. Diese Kritik ist nicht völlig neu, allerdings geht Rupnow jedoch weiter als viele bisherigen Ansätze, da er nicht nur fordert, dass Migrant*innen sichtbar werden, sondern auch, dass sie hinsichtlich ihrer eigenen Geschichte und Geschichtsschreibung aktiv mitbestimmen dürfen. Der Text ist also dahingehend als originell/innovativ zu bezeichnen, weil er Migrant*innen als aktive Subjekte historischer Narrative einfordert und Migration als strukturierendes Element der österreichischen Gesellschaft begreift. Er leistet einen Beitrag zur Forschung, indem eine vernachlässigte historische Realität sichtbar gemacht wird, Institutionen und Erinnerungspraktiken kritisch analysiert werden und neue theoretische Perspektiven für eine plurale Geschichtsschreibung eröffnet werden.
Eine Stärke des Textes liegt in seiner Quellenarbeit, da wie oben bereits erwähnt wurde, die Informationen über z.B. die einzelnen Dokumentationsarchive oder die Handreichung des Deutschen Museumsbundes aus den direkten Quellen bezogen wurden und nicht aus Sekundärliteratur über diese Thematik. Auch die methodische Herangehensweise ist äußerst passend gewählt (-siehe Beispiele oben). Als weitere Stärke ist der Aktualitätsbezug zu nennen, wobei auch aktuelle Debatten um Staatsbürgerschaftstests aufgegriffen werden. So werden Staatsbürgerschaftstests kritisiert, da sie historische Fakten der Mehrheitsgesellschaft abfragen, aber keine Auseinandersetzung mit migrantischen Geschichten fordern.11 Negativ fällt auf, dass im Fließtext Kapitelüberschriften fehlen, wobei die Übergänge oft abrupt sind und sich nicht sofort entnehmen lässt, um was genau es im folgenden Kapitel geht und diese am Anfang nicht immer klar miteinander verschränkt, sondern eher nebeneinanderstehend wirken. Stellenweise wirkt der Text auch wiederholend, da einige Argumente mehrfach formuliert werden (z.B. „Migration gehört zur Geschichte Österreichs“).
Dirk Rupnows Beitrag leistet einen wichtigen und längst überfälligen Beitrag zur österreichischen Migrationsgeschichte. Er zeigt überzeugend, dass Migration kein Randphänomen oder Ausnahmezustand ist, sondern ein konstitutives Element der österreichischen Gesellschaft und Geschichte. Der Text trägt wesentlich dazu bei, das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer pluralen und transnationalen Erinnerungskultur zu schärfen und rückt marginalisierte Stimmen ins Zentrum des historischen Diskurses. Besondern ist das Lesen des Textes jenen Personen zu empfehlen, die Migration noch immer nicht als Teil der österreichischen Geschichte wahrnehmen wollen – insgesamt kann er aber allen, die sich für österreichische Migrationsgeschichte und deren Wahrnehmung interessieren, sehr empfohlen werden.
Rezensent:in: Matthias Hailwax
Alexander Rubel, “Migrationsgeschichte Als Weltgeschichte. Ein Plädoyer Für Neue Akzente in Der Historischen Migrationsforschung unter Einbeziehung Der Vor- Und Frühgeschichte”, in: Adrei Cusco Et Al. (Hg.), Migration and Population Politics during War(Time) and Peace(Time): Central and Eastern Europe from the Dawn of Modernity to the Twentieth Century (Cluj-Napoca, 2021), 25-63.
Unter dem Titel „Migrationsgeschichte als Weltgeschichte“ eröffnete der Althistoriker Alexander Rubel 2019 eine Konferenz zur Migration in Osteuropa. Die Beiträge erschienen 2021 im Sammelband „Migration and Population Politics during War(time) and Peace(time): Central and Eastern Europe from the Dawn of Modenity to the Twentieth Century“. Rubel betont darin, dass Migration kein modernes Phänomen ist, sondern bereits in der Vor- und Frühgeschichte eine prägende Rolle spielte.
Im Zentrum seiner Argumentation steht die Auffassung, dass Migration nicht als Ausnahme oder Sonderfall, vielmehr als grundlegender Bestandteil menschlicher Existenz verstanden werden muss – quasi als conditio humana. Migration dürfte weder auf Krisenzeiten noch auf Fluchtbewegungen reduziert werden. Sie soll als Motor sozialer, wirtschaftlicher und politischer Dynamiken untersucht werden. Rubel plädiert deshalb für eine methodische und konzeptionelle Neubewertung der Migrationsgeschichte, die über die Neuzeit hinausgreift und auch die frühesten Menschheitsepochen einschließt.
Eine klar formulierte Forschungsfrage wird nicht genannt. In dem Text macht sich der Autor jedoch zum Ziel, zu hinterfragen, ob sich Migration bis zum Beginn der Menschheit zurückverfolgen und bewerten lässt, ohne dabei in altbekannte oder vereinfachte Denkmuster zu verfallen.
Die Argumentation folgt dabei einen roten Faden. Der Autor beginnt mit einem Überblick über die aktuelle Migrationsforschung, stellt anschließend neue Perspektiven für die Frühgeschichte vor und diskutiert schließlich wie Migration während der Neolithischen Revolution mit dem Sesshaft werden der Menschen verwoben war.
Der Text überzeugt durch eine schlüssige Analyse, verlangt aber stellenweise Fachwissen, etwa wenn genetische Forschungen in die Betrachtung einbezogen wird. Besonders stark ist Rubels Kritik an der Vernachlässigung frühgeschichtlicher Migration und seine Abgrenzung von nationalgeschichtlich verengten Perspektiven. Er fordert, Migration nicht nur als Folge von Großereignissen zu verstehen. Sondern als eigenständigen historischen Faktor mit eigener Wirkungskraft. Damit regt er zu einem differenzierten Diskurs an, insbesondere zu Fragen nach Identität und Ideologie.
Allerding bleiben einige Schwächen bestehen. Die Sprache ist stellenweise komplex und erschwert den Zugang; kürzere Sätze oder Zwischenfazits hätten die Lesbarkeit verbessert. Zudem fehlen konkrete Hinweise darauf, „wie“ sich die angedeuteten Ansätze praktisch in der empirischen Forschung umsetzen lassen (zum Beispiel: Migration in verschiedenen Regionen vergleichen, Rekonstruktion von einzelnen Stämmen, Migration in Verbindung mit Sprachentwicklung/-verbreitung).
Insgesamt jedoch liefert Rubels Beitrag einen wichtigen Impuls, Migration konsequent in die Weltgeschichte zu interagieren. Trotz mancher sprachlichen Hürden überzeugt er durch originelle Ideen und mit einer klaren Botschaft: Migration ist kein Randthema, sondern ein Schlüssel zum Verständnis historischer Entwicklungen. Dadurch entstand ein lesenswerter Beitrag, der zu weiteren Diskussionen einlädt.
Rezensent:in: Schuster, Anna
Erol Yildiz, “Postmigrantische Lebensentwürfe jenseits der Parallelgesellschaft,” in: Alexander Böttcher, et. Al. (Hgs.), Migration bewegt und bildet: Kontrapunktische Betrachtungen (Innsbruck, 2019), 13-29.
Die folgende Rezension soll einen postmigrantischen Text des Ethnologen Erol Yildiz diskutieren und dessen Wert für die Migrationsforschung in Österreich analysieren. Das Kapitel „Postmigrantische Lebensentwürfe jenseits der Parallelgesellschaft“ ist Teil eines Readers12 rund um den Umgang der Gesellschaft mit und interdisziplinären Zugängen zu Migration. In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse der Geisteswissenschaften am Forschungsfeld „Migration“ stark gewachsen. Dies hat eine Vielzahl an neuen Perspektiven hervorgebracht. Eine dieser Betrachtungsweisen ist der von Yildiz diskutierte Zugang „Postmigration“. Der Begriff der „Postmigration“ wurde erstmals im Jahr 1995 geprägt. Der folgende Definitionsversuch basiert auf jenem der Bundeszentrale für politische Bildung Deutschland13, kann aber natürlich auch für jedes andere Land angewendet werden. Deutschland, bzw. auch Österreich muss als Land betrachtet werden, in dem Migration stattgefunden hat und nach wie vor stattfindet. Dies erfordert Umdeutung von Zuschreibungen und nationalen Identitäten und das Schaffen von gleichen Bedingungen für alle Mitglieder der Gesellschaft. Das Präfix “post” bedeutet nicht das Ende der Migration, sondern beschreibt einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess in einer Phase, in der Migration bereits stattgefunden hat. Hierzu muss sozialer Wandel anerkannt werden, Migration als Phänomen, das Einfluss auf die Gesamtgesellschaft hat, betrachtet werden und die Anpassung von etablierten Strukturen, Institutionen und politischen Kulturen erfolgen. Das von Yildiz behandelte Thema Postmigration ist für die Migrationsforschung von Relevanz, da postmigrantische Forschung versucht etablierte Denkweisen zum Thema Migration zu verändern und stattdessen neue Perspektiven einer vielfältigen Gesellschaft zu liefern. Ziel dieser Rezension ist es, den Begriff Postmigration in Verbindung mit Yildiz‘ Artikel im Allgemeinen zu diskutieren, Stärken und Schwächen des Zugangs und der Arbeit aufzuzeigen und mögliche neue Blickwinkel zu erläutern.
Zunächst erklärt Yildiz den Begriff „Postmigration“. Dieser soll nicht als neue Disziplin, sondern als eine veränderte Denkweise verstanden werden: Migration ist kein Sonderfall, sondern eine gesellschaftsverändernde Kraft. Ebenso stellt er einen Bezug zum Postkolonialismus und den postkolonialen Theorien her. Dann beschreibt Yildiz die Erfahrung des Migranten Bilals mit Alltagsrassismus und dem Gefühl als „Ausländer“ in Deutschland zu leben. Anschließend nennt Yildiz einige postmigrantische Strategien, beispielsweise Humor und Ironie in Form des postmigrantischen Theaters. Schließlich appelliert Yildiz für ein transkulturelles, offenes und dynamisches Gesellschaftsverständnis. Yildiz‘ zentrale Schlussfolgerung ist, dass Migration als normaler, konstitutiver Teil der Gesellschaft verstanden werden muss. Zur Darstellung seiner Sichtweise stützt Yildiz seinen Text auf eine Vielzahl von Quellen aus unterschiedlichsten Forschungsrichtungen. Yildiz widmet mehrere Passagen seines Kapitels den Berichten von Menschen mit Migrationshintergrund und beschreibt deren Erfahrungen anhand von Fallbeispielen. Hierzu nutzt er eine qualitative Methode, nämlich Interviews mit Betroffenen, zur Informationsbeschaffung. Im Zuge der Interviews findet auch der „History from Below“14-Ansatz Anwendung, da Yildiz nicht die Narrative der Eliten wiedergibt, sondern jene einer marginalisierten Gruppe.
Besonders positiv hervorzuheben ist an Yildiz’ Arbeit zunächst die klare und stringente Struktur. Der in der Einleitung deutlich markierte rote Faden – Migration als Analysen – zieht sich konsequent durch die gesamte Arbeit und verleiht ihr Kohärenz. Die Argumentationen von Yildiz sind in sich schlüssig und der eigene Standpunkt wird klar und nachvollziehbar dargestellt. Hervorzuheben ist zudem die hohe Dichte an Quellen, die die Argumentation stützen und die fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung unterstreichen.
Kritisch betrachtet werden kann vor allem die Tatsache, dass Yildiz die „Neuartigkeit“ der postmigrantischen Perspektive übermäßig hervorhebt. So verdeutlicht er in seinem Aufsatz mehrmals, dass er den postmigrantischen Zugang für „radikal neuartig“ hält. Bereits das lateinische Präfix „post“, das als Zeichen für erkenntnistheoretische Wenden gilt, soll diese Neuartigkeit verdeutlichen. Yildiz schreibt, dass die postmigrantische Forschung eine „erkenntnistheoretische Wende“ im Migrationskontext einleitet“.15 Dennoch gilt, dass auch Konzepte, die das Präfix „post“ nutzen, an Modernität verlieren und andere Konzepte an deren Stelle treten. Daher stimme ich einer von Hartmut M. Griese16 verfassten Rezension zu, dass postmigrantische Forschung den Begriff Migration nicht wie von Yildiz beschrieben „radikal neu denkt“ sondern vielmehr eine Perspektive ist, die bereits vorhandenen Ansätzen der Migrationsforschung einen neuen Namen gibt und sich bereits vorhandener Methodik bedient.17 Beispielsweise sind Yildiz Beschreibungen der Geschichte eines Migranten mit dem „History from Below“-Ansatz vergleichbar.18 Gute Forschungspraxis orientiert sich an etablierten wissenschaftlichen Methoden. In diesem Zusammenhang ist jedoch kritisch anzumerken, dass die „Neuartigkeit“ der postmigrantischen Perspektive in der Arbeit aus meiner Sicht teilweise überbetont wird. Zwar stellt dieser Ansatz einen innovativen Zugang dar, doch sollte seine Verortung im Kontinuum bestehender migrationssoziologischer Theorien und Ansätze differenzierter reflektiert werden.
Generell ist die Überbetonung des Begriffs „radikal“ in Yildiz‘ Text auffällig. Mutmaßlich möchte der Autor hiermit nicht bloß die „radikale Neuartigkeit“ seines Ansatzes darstellen, sondern auch hervorheben, dass etablierte Denkweisen und -muster zum Thema Migration aufgebrochen werden müssen, allerdings könnte dieser Umstand noch stärker betont werden.
Trotz der gut lesbaren Sprache des Autors (wenig verschachtelte Sätze, gut verständliche Sprache und kurze Kapitel mit prägnanten Überschriften), ist der Text von Kunstwörtern (beispielsweise „Transtopien“, „Globalisierung von unten“, „Herkunftsdialoge“, „Transkodierung“) und wissenschaftlichen Konzepten („Dritter Raum“), die nicht allgemein geläufig sind, durchzogen. Dies erweckt den Eindruck, dass einige relevante Facetten des Themas Migration für Laien nicht greifbar sind und Yildiz stattdessen für akademische KollegInnen schreibt.
Sieht man von der übermäßigen Betonung des Innovationscharakters seines Ansatzes ab, bietet Yildiz‘ Beitrag einen Mehrwert zu zukünftiger Forschung. So können Yildiz‘ „postmigrantische Strategien“ interessante Ideen zum Umgang mit Migration und Hass liefern. Beispielsweise können humoristische Darstellungen von Migration in Filmen und Theatern und Poetry Slam Veranstaltungen dabei helfen mit Stereotypen und Klischees zu brechen. Offen bleibt jedoch, wie solche Veranstaltungen ein breites Publikum erreichen und nicht bloß jene Personen ansprechen sollen, die entweder betroffen sind oder ohnehin Interesse am Thema haben.
Zusammenfassend eröffnet die postmigrantische Forschung ebenso wie Yildiz’ Beitrag neue Perspektiven auf ein gesellschaftlich hochrelevantes und kontrovers diskutiertes Thema. Im Vordergrund sollte dabei weniger die Schaffung neuer theoretischer Begriffe oder kunstvoller Neologismen stehen, sondern vielmehr die kritische Auseinandersetzung mit den realen Herausforderungen und Machtverhältnissen einer postmigrantischen Gesellschaft. Eine vertiefte Analyse dieser Dynamiken bietet großes Potenzial für zukünftige Forschungsarbeiten. Deutlich wird: Das Thema Migration ist längst nicht ausgeschöpft, sondern bleibt ein offenes und produktives Feld wissenschaftlicher Diskussion.
- Dirk Rupnow, Geschichte und Gedächtnis von Migration in Österreich, in: Senol Grasl-Akkilic et.Al. (Hgs.), Aspekte der österreichischen Migrationsgeschichte (Wien, 2019), 18-59. S. 22. ↩︎
- Thomas Angerer, An Incomplete Discipline: Austrian Zeitgeschichte and Recent History, in: Günter Bischof, et al., (Hgs.): Austria in the Nineteen Fifties (New Brunswick, 1995), 207–251. ↩︎
- Oliver Rathkolb, Die paradoxe Republik: Österreich 1945 bis 2025 (Wien, 2025). ↩︎
- Vgl. Annemarie Steidl, On Many Routes: Internal. European, and Transatlantic Migration in the Late Habsburg Empire (West Lafayette, 2021), S. 15f. ↩︎
- Vgl. ebd. 16. ↩︎
- Bernhard Perchinig, Migration, Integration und Staatsbürgerschaft in Österreich seit 1918 (Wien, 2009), in: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft 151 (2012), S. 3ff., 6ff., 10ff., 13, 17, 18f., 21f., 24ff. ↩︎
- Ebda. S. 3ff., 6ff., 10ff., 13, 17, 18f., 21f., 24ff., 25, 28ff., 31. ↩︎
- Ebda. S. 28. ↩︎
- Rupnow, Geschichte und Gedächtnis, S. 18. ↩︎
- Ebda. S. 22. ↩︎
- Vgl. ebda. S. 19. ↩︎
- Alexander Böttcher, Marc Hill, Anita Rotter, Frauke Schacht, Maria A. Wolf, and Erol Yildiz, eds., Migration bewegt und bildet: Kontrapunktische Betrachtungen (Innsbruck, 2019). ↩︎
- Naika Foroutan, “Post-Migrant Society”, Bundeszentrale für politische Bildung, April 21, 2015, https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/205295/post-migrant-society/. ↩︎
- „History from Below“ wurde in den 1960er-Jahren durch E.P. Thompson geprägt. Der Ansatz richtet den Blick auf Alltagskultur und die „einfachen Leute“ als aktive Gestalter der Geschichte. Ziel ist es, historische Erfahrungen aus der Perspektive der Betroffenen zu verstehen und die Geschichtsschreibung zu demokratisieren. (vgl. Bernet, Raphael und Zachariah, History from Below, 4). ↩︎
- Erol Yildiz, “Postmigrantische Lebensentwürfe jenseits der Parallelgesellschaft,” in: Alexander Böttcher, et. Al. (Hgs.), Migration bewegt und bildet: Kontrapunktische Betrachtungen (Innsbruck, 2019), 13-29. S. 13. ↩︎
- Hartmut M. Griese, Review of Nach der Migration: Postmigrantische Perspektiven jenseits der Parallelgesellschaft, ed. Erol Yildiz and Marc Hill, EWR 14, no. 5 (2015), published September 23, 2015, http://www.klinkhardt.de/ewr/978383942504.html. ↩︎
- Yildiz, Postmigrantische Lebensentwürfe, S. 15. ↩︎
- Ebda. S. 17f. ↩︎
