Nazi Trash Season 1: Erste Erfahrungen aus einem zeithistorischen Lehrprojekt
Nikolaus Hagen & Ina Friedmann
„Nazi Trash“ ist ein von Ina Friedmann und Nikolaus Hagen geleitetes Lehrprojekt am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck. Unser Projekt startete im Sommersemester 2025 erstmals mit zwei parallelen Lehrveranstaltungen und einem gemeinsamen Blog, in dem studentische Beiträge, die aus dem Projekt hervorgehen und zugleich die Kursarbeiten darstellen, veröffentlicht werden. In diesem Beitrag wollen wir die Ziele und Inhalte des Projekts, das wir auch in den kommenden Studienjahren fortsetzen werden, vorstellen und unsere ersten Erfahrungen aus der Praxis teilen.

Was ist eigentlich „Nazi Trash“?
Wie der Untertitel unseres Blogs „Nationalsozialismus und Holocaust in B-Movies und Videospielen“ bereits verrät, geht es im weitesten Sinne um die Verhandlung von Geschichte in sogenannten Trashfilmen sowie in bestimmten PC- und Videogames. Was „Trash“ in diesem Zusammenhang genau ist, lässt sich allerdings nicht ganz eindeutig bestimmen. Der Begriff hat sowohl ökonomische als auch ästhetische Bedeutungsebenen und wird teils synonym zu B-Movie, Exploitation Film, Low-Budget-Film und weiteren ähnlichen Gattungsbezeichnungen verwendet. Manche Genres, wie etwa Horror oder Splatter, gelten oft pauschal (und vielfach auch zu Unrecht) als „Trash“. Zudem gibt es durchaus handwerklich gut gemachte und teuer produzierte Filme und Games, die bewusst ästhetisch Anlehnungen an Billigproduktionen nehmen – teurer Trash, wenn man so will, ganz im Sinne von Dolly Partons bekanntem Ausspruch: „It costs a lot of money to look so cheap“. Auch wenn eine gewisse begriffliche Unsicherheit bleibt, so hat „Trash“ in all seinen Erscheinungsformen eine große Fangemeinde und viele derart attribuierte Filme genießen geradezu Kultstatus.
Ausgangspunkt und initiale Idee für unser Projekt war die Feststellung, dass Nazis in erstaunlich vielen Trash Filmen und Games eine bedeutende Rolle spielen. Sie gehören geradezu zu den klassischen Bösewichten und Antagonisten in diesem Genre. Von den kleinen Nebenrollen ohne inhaltliche Relevanz, wie etwa dem Nazi-Arzt im Trash-Klassiker Braindeadvon 1992, der lediglich an einem Riss in seinem Kittel und der dadurch entblößten Hakenkreuzarmbinde zu erkennen ist, ganz zu schweigen. Im deutschen Kurzfilm Der Goldene Nazivampir von Absam 2 von 2007 bekämpft ein Okkultismusexperte des amerikanischen Militärgeheimdiensts während des Zweiten Weltkriegs nationalsozialistische Vampire in Tirol, die nach Unsterblichkeit streben. Der Film selbst ist von der legendären PC-Spielereihe Wolfenstein inspiriert (1981–2019), die ein ganzes Genre an „Nazi Trash“ Spielen und Filmen mitgeprägt hat. Ein anderes Beispiel ist die Billigfilmproduktion Hard Rock Zombies von 1985, in der eine Rock Band auf den untoten Hitler und seine Familie trifft. Derartige Produktionen gehen, wie die kurzen Inhaltsangaben schon demonstrieren, bewusst äußerst lose oder auch satirisch überspitzt mit historischen Fakten um, was sie von ernstgemeinten Historienfilmen und -spielen, die zumindest vorgeblich auf historischen Tatsachen zu beruhen, unterscheidet. Dieses Faktum wird der absoluten Mehrheit der Zuseherinnen und Zuseher bzw. Spielerinnen und Spieler selbstverständlich bewusst sein. Nichtsdestotrotz dürften auch solche Filme und Spiele einen gewissen Einfluss auf die Geschichtsbilder einer breiteren Öffentlichkeit nehmen und sind deshalb im weitesten Sinne auch als Geschichtsdarstellungen zu verstehen.
Für angehende Historikerinnen und Historiker, insbesondere auch zukünftigen Lehrpersonen, ist es zweifelsohne relevant, sich kritisch mit populären Geschichtsdarstellungen auseinanderzusetzen und sich die Frage zu stellen: Auf welchen historischen Begebenheiten und den dazugehörigen Quellen basieren diese Darstellungen eigentlich?
Das Lehrprojekt
Bei der Konzeption unseres Lehrprojekts gab es zunächst einige technisch-organisatorische Fragen zu klären. Da war zum einen die Herausforderung, zwei separate Lehrveranstaltungen, die aus mehreren Gründen notwendig waren, mit jeweils unterschiedlicher LV-Leitung sinnvoll miteinander zu verbinden. Zum anderen musste das Projekt in die curricularen Rahmenbedingungen eingefügt werden, aus denen sich wieder diverse Anforderungen an den Workload, die Anzahl der LV-Termine und die Prüfungsmodalitäten ableiteten.
Die an der Universität Innsbruck derzeit gültigen Curricula, insbesondere für das Lehramt aber auch das Fachstudium, lassen kaum Spielraum für neue Formate jenseits der klassischen Übungen, (Pro-)Seminare und Vorlesungen. Das BA-/BEd-Studium nach dem Bologna-Schema ist sehr eng durchgetaktet und von aufeinander aufbauenden Pflichtmodulen geprägt, die noch dazu auf mehrere historische Fächer (im Lehramt zudem auf ein zweites Studienfach) und unterschiedliche Institute aufgeteilt sind. Folglich ist es gerade im Grundstudium notwendig, dass die entsprechenden zeithistorischen Lehrveranstaltungen auch gewisse Kerninhalte abdecken.
Im Geschichtsstudium auf Bachelorniveau müssen alle Lehramtsstudierenden eine einstündige Pflichtübung „Quellen und Darstellungen der Zeitgeschichte“ (2,5 ECTS-AP) absolvieren. Im Fachstudium (BA) kann dieselbe Lehrveranstaltung freiwillig als Teil eines Pflichtmoduls („Quellen angewandt“) gewählt werden. Das Ziel der Lehrveranstaltung ist im Curriculum folgendermaßen festgelegt:
„Lesen und Auswerten fachspezifischer Quellen und Darstellungen der Zeitgeschichte; Erkennen geschichtswissenschaftlicher Fragestellungen, Geschichtsbilder und historischer Narrative; Lesen und Auswerten historiographischer Texte sowie deren Analyse als historische Quelle.“
Dieses Übungsformat bietet zwar einen großen inhaltlichen und methodischen Spielraum, gleichzeitig setzen der geringe zeitliche Umfang und der bescheidene Workload ambitionierten Vorhaben enge Grenzen. Üblicherweise wird die Lehrveranstaltung (je nach Semester) zu maximal acht zweistündigen LV-Einheiten geblockt. Grundsätzliches Ziel dieses LV-Formats ist es, die Studierenden mit den Spezifika des zeithistorischen Arbeitens und besonderen Quellengattungen, die sich mitunter von anderen historischen Kernfächern unterscheiden, vertraut zu machen. Ein Vorteil gegenüber klassischen Proseminaren ist, dass die Studierenden am Ende nicht zwangsläufig eine klassische (PS-)Arbeit schreiben müssen, sondern von Essays bis zu Portfolios oder auch einzelnen Quellenbeschreibungen verschiedenste schriftliche Leistungen denkbar sind. Die Kombination „Darstellungen“ und „Quellen“ gab damit den Weg für das inhaltliche Ziel schon vor: Studierende sollten entsprechende Trash-Filme oder -Games auswählen und auf ihre historischen Grundlagen hin quellenkritisch untersuchen.
Im Sommersemester 2025 haben wir zwei inhaltlich identisch konzipierte „UE Quellen und Darstellungen der Zeitgeschichte: Nazi Trash“ angeboten. An drei Terminen haben wir beide Lehrveranstaltungsgruppen zusammengeführt und uns jeweils einen Film gemeinsam angesehen und anschließend in der Großgruppe besprochen. Wir haben uns dabei insbesondere auf die historischen Elemente im jeweiligen Film konzentriert und versucht diese kritisch historisch einzuordnen. Als einführendes Beispiel diente uns der bereits genannte Kurzfilm Der Goldene Nazivampir von Absam 2. Dieser enthält, obwohl es sich um einen Slapstick-Trash-Film handelt, zahlreiche Anknüpfungspunkte an bzw. Referenzen zu realen historischen Begebenheiten. Etwa an die okkulten Forschungen des SS-Ahnenerbes oder auch an die Geheimmissionen des amerikanischen Geheimdienstes OSS in Tirol. In diesen gemeinsamen Einheiten ging es uns darum, die Studierenden auf solche Anknüpfungspunkte aufmerksam zu machen und ihren Blick dafür zu schärfen. In ihren eigenen Arbeiten sollten sie dann derartige historische Referenzen am Beispiel eines selbst ausgewählten Films oder eines Games mit Rücksicht auf Forschungsliteratur und historische Quellen kritisch prüfen und einordnen. Die restlichen LV-Termine wurden getrennt in zwei Gruppen durchgeführt. In diesen weiteren Einheiten ging es vor allem darum, die Studierenden mit wichtigen Quellentypen der Zeitgeschichte, insbesondere zur Geschichte von Nationalsozialismus und Holocaust, bekannt zu machen. Dazu gehörte eine kurze Einführung in zentrale Archive und Archivbestände, aber auch in digitale Repositorien und Hilfsmittel, wie NS-Quellen.at, Arolsen Archives oder das Yale Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies.
Schon bei Beginn der Planungen fiel auch die Entscheidung, die Ergebnisse der Lehrveranstaltung in Form eines Blogs, für den die Studierendenden Beiträge verfassen würden, zu publizieren. Das bot sich aus mehreren Gründen an: Zum einen bot es sich an, die technischen Möglichkeiten der Einbettung von Filmclips und Screenshots auch zu nützen, zum anderen wollten wir auch eine Abwechslung zu den vielen klassischen Seminar- und Abschlussarbeiten bieten. Dazu war es allerdings notwendig, in der Lehrveranstaltung eine Einführung in das Verfassen von Blogbeiträgen bzw. wissenschaftlichen Essays geben, da die wenigsten Studierenden mit dieser Form des Schreibens und Publizierens vertraut waren.
Herausforderungen
Wie jede neu konzipierte Lehrveranstaltung, so bot und bietet auch dieses Projekt einige Herausforderungen. Einige davon, wie etwa der undokumentierte Einsatz von KI-Tools durch Studierende, sind keineswegs ein spezifisches Problem dieses Projekts, aber traten doch in einem gehäuften Ausmaß auf. Schon bei der Themenfindung verließen sich einige Studierende ganz offensichtlich auf KI-Chatbots, in manchen Fällen, ohne sich die gewählten Filme überhaupt selbst zuvor angesehen zu haben. Beim Verfassen der Beiträge und bei der Überarbeitung wurde ebenfalls von vielen Studierenden auf die entsprechenden KI-Tools zurückgegriffen, überwiegend ohne diesen Einsatz, wie von uns gefordert, entsprechend transparent zu dokumentieren.
Vor Beginn der Lehrveranstaltungen war es für uns schwierig einzuschätzen, auf wie viel Interesse dieses Projekt stoßen würde. Ehrlicherweise haben wir das studentische Interesse stark überschätzt und wollten ursprünglich sogar drei Lehrveranstaltungen anbieten, da wir von bis zu 75 teilnehmenden Studierenden ausgingen. Letztlich war es nicht einmal die Hälfte, die sich angemeldet haben, was sich in Hinblick auf das Blog, das einigen Aufwand bedeutet, aber letztlich als positiv erwiesen hat.
Erstaunt hat uns auch, dass einige Studierende wenig Bezug zum Medium Film oder zu Videospielen hatten. Während es nachvollziehbar ist, dass Trashfilme nicht jedermanns Sache sind, war es doch überraschend zu hören, dass relativ viele Studierende angaben, in ihrer Freizeit überhaupt keine Unterhaltungsfilme anzuschauen oder PC-Games zu spielen. Auch Filme, die wohl mittlerweile eher als Klassiker der älteren Generation einzuschätzen sind, wie der nur am Rande in der LV behandelte und kommerziell äußerst erfolgreiche Spielfilm Inglorious Basterds (2009), waren einem großen Teil der Studierenden unbekannt.
Dazu kam, dass die Beschäftigung mit fiktionalen Darstellungsformen wie Filmen und Games (aber auch Romanen, Kurzgeschichten udgl.) im Geschichtsstudium in der Regel sehr wenig oder gar keinen Platz einnimmt. Hier hat der kulturwissenschaftliche Boom der letzten Jahrzehnte offenbar wenig Einfluss auf die Ausbildung von angehenden Historikerinnen und Historikern genommen. Wir mussten uns in den gemeinsamen Einheiten folglich mehr grundlegenden filmischen Aspekten widmen, als wir das antizipiert und geplant hatten – schließlich kommen wir auch selbst nicht aus der Medien- und Filmwissenschaft. Einige Studierende taten sich beispielsweise schwer damit, den satirischen Gehalt einzelner Filme überhaupt zu erkennen. Die Gattung Kurzfilm war den meisten nicht vertraut, auch viele popkulturelle Referenzen in den Filmen wurden, sicherlich teilweise auch altersbedingt, nicht verstanden bzw. erkannt.
Erste Ergebnisse und weitere Schritte
Es ist ganz klar das Ziel unserer Lehrveranstaltungen, auch Studierenden ohne bereits vorhandenem Interesse an „Nazi Trash“ das Thema und die vielfältigen Möglichkeiten der Auseinandersetzung damit, aber durchaus auch den Nutzen für etwaige eigene spätere Unterrichtseinheiten näherzubringen. Gerade hierin liegt aber ein zentrales Problem: Zusammen mit der Anforderung, grundlegende historische Analysefertigkeiten zu vermitteln, bleibt zu wenig Zeit, parallel sozusagen die kulturellen Grundlagen des „Trash“ von Null an aufzubereiten. Hier die passende Balance zu finden, ist also unser nächstes Projekt im Rahmen von Nazi Trash.
Das Finale der Season 1 unseres Projekts, um im entsprechenden Jargon zu bleiben, steht uns noch bevor. In den kommenden Wochen gehen die ersten Beiträge unserer Studierenden auf unserem Blog online. Die interessierte Leserschaft erwarten sehr vielfältige Beiträge. Armin Groh hat sich in seinem Beitrag etwa dem Spielfilm Iron Sky gewidmet, der bei seinem Erscheinen im Jahr 2012, sehr viel mediale Aufmerksamkeit erhalten hat. Der Film ist, wie der Autor an mehreren Beispielen herausarbeitet, eine Persiflage auf unterschiedliche rechtsextreme Verschwörungsmythen. Darunter eher obskure, wie jene von den „Reichsflugscheiben“, aber auch sehr verbreitete antisemitische Narrative, wie die Rede von der „New World Order“. In einem weiteren Beitrag arbeitet Armin Haas anhand von „trashigen“ japanischen Film- und TV-Produktion heraus, wie Japans mächtige Kulturindustrie unter anderem auch zur (globalen) Verbreitung problematischer Geschichtsbilder dient.
Wir und die Autorinnen und Autoren freuen uns auf eine interessierte Leserschaft und entsprechende Rückmeldungen: https://nazitrash.hypotheses.org
MMag. Dr. Ina Friedmann ist Senior Scientist am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.

Dr. Nikolaus Hagen ist Assistenzprofessor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.

